Tormas-gegen-Hindernisse

Rituale des Vajrayana – Das Darbringen von Tormas

Um Dharma praktizieren zu können, brauchen wir entsprechende Ursachen und Bedingungen, die dafür zusammenkommen müssen. Dazu gehören sehr einfache Dinge, die z.B. der Buddha für die Ordinierten festgelegt hat. Außerdem gibt es zahlreiche Gebete und Rituale, die Übungen enthalten, um die notwendigen Verdienste anzusammeln.

Tormas als Gaben

Neben den verschiedenen Gaben und glückverheißenden Zeichen und Symbolen werden in den tibetischen Übungen häufig sogenannte Tormas (skr. Balingta) verwendet. Dies sind Figuren, die häufig aus Teig hergestellt und mit Ornamenten verziert sind. Im Zusammenhang mit Einweihungen und auch anderen Übungen wird z.B. ein Vorbereitungs-Torma (tib. Ngöndro-Torma) verwendet, um Hindernisse zu befrieden. Andere Tormas werden der jeweiligen Meditationsgottheit als Gabe dargebracht. Durch Tormas können außerdem die verschiedenen Buddhas und Bodhisattvas, Meister der Linien, Devas, Dakinis oder Dharma-Schützer symbolisch dargestellt werden.

Einweihungs- und Langlebens-Tormas

Bevor man ein Retreat oder eine Praxis beginnt, soll zunächst ein Torma dargebracht werden. Dieser wird als Vorbereitungs-Torma (tib. Ngöndro-Torma) bezeichnet. Man kann Tormas an die Lokapalas – die Halter des Ortes – und an Hindernisse bereitende Wesen darbringen. Die Gaben haben viele unterschiedliche Formen, weil die Wesen verschiedene Dinge mögen. Manche mögen z.B. Blumen, manche Räucherwerk und manche mögen Alkohol oder Fleisch. Der Buddha hatte durch seine Weisheit erkannt, welche Vorlieben die Wesen haben und hat dementsprechend diese Gaben dargebracht.

Tormas in Nepal

Die verschiedenen Tormas, wie sie in den tibetischen Traditionen verwendet werden, symbolisieren verschiedene Substanzen. Anstelle von Tormas können aber auch andere Gaben wie z.B. Kekse verwendet werden. Sie werden mit entsprechenden Mantras gesegnet und mit der entsprechenden Visualisierung dargebracht, sodass sie von den verschiedenen Wesen angenommen werden können und diese zufriedengestellt sind. In den Texten werden die verschiedenen Wesen, denen die Tormas dargebracht werden, aufgezählt. Sie werden gebeten, die Gaben anzunehmen, ihre negativen Gedanken aufzugeben und eine altruistische Geisteshaltung zu entwickeln.

Tormas im Drikung Kagyu Institute

Die Hindernisse bereitenden Wesen werden auch als Geister oder Dämonen bezeichnet. Sie entsprechen den geistigen Verblendungen und falschen Vorstellungen, die uns daran hindern, den Dharma zu praktizieren und die Buddhaschaft zu verwirklichen. In einem Kommentar zur Praxis des Chöd1 heißt es dazu: „Was ist mit ‚Mara‘ oder ‚Dämonen‘ gemeint? Das sind Zerstreuungen, die sich im Geist festsetzen und ihn zu kontrollieren versuchen. Man merkt nicht, was abläuft und handelt einfach, ohne dass man sich darüber bewusst ist.“

Im Buddhismus gibt es entsprechend den zwei großen Kategorien von Sutrayana und Mantrayana (Vajrayana) jeweils zwei Kategorien von je vier Maras. Im Sutrayana sind dies:

  1. Mara der Aggregate (skr. Skandhas),
  2. Mara der störenden Gefühle (skr. Kleshas),
  3. Mara des Herrn des Todes und
  4. Mara des Sohnes der Götter (skr. Devaputra).

Im Mantrayana spricht man von:

  1. Mara des Greifbaren (greifbare Dämonen): äußere Dinge und Wesen, die Körper und Geist schaden,
  2. Mara des Nicht-Greifbaren (ungreifbare Dämonen): Gier, Hass und Unwissenheit sowie die 84.000 Arten negativer Emotionen, aus denen die Leiden in Samsara hervorgehen,
  3. Mara der Erhöhung (Dämon der Euphorie): Gefühl der Überlegenheit gegenüber anderen in Bezug auf den Lehrer, die Lehren und die Übungen,
  4. Mara der Aufblähung (Dämon der Arroganz): der Glaube an ein ‚Ich‘ und ‚Mein‘ in Bezug auf die fünf Aggregate, aus dem die anderen (äußeren) Dämonen hervorgehen2.

Speisen-Torma

Indem wir den hindernisbereitenden Dämonen einen Torma darbringen, stellen wir uns vor, dass diese zufriedengestellt werden und uns nicht mehr ablenken können. Durch das Darbringen an die Lokapalas (Schützer der Himmelsrichtungen und des Ortes, Nagas usw.) werden die positiven Kräfte, die unsere Praxis unterstützen, gestärkt. Die Praxis der Torma-Darbringung wird daher bei längeren Übungen oder Übertragungen und insbesondere zur Durchführung von Retreats ausgeführt.

Tändsin T. Karuna (Elke Tobias)

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1 Chöd (tib., Abschneiden, Durchtrennen) ist eine äußerst kraftvolle Praxis, um die fundamentalen Gewohnheiten des Greifens nach und Festhaltens an einem Ich und einer fixen Identität abzuschneiden und damit auch die fundamentale Täuschung über die wahre Bestehensweise der Phänomene zu beseitigen.

2 aus den Anmerkungen in Patrul Rinpoche: „Worte meines vollendeten Lehrers“