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Grosses Drikung-Familientreffen in Dehradun

Ein Bericht von den Feierlichkeiten
zum 800. Parinirvana von Kyobpa Jigten Sumgön

Aus über 80 Ländern kamen auf Einladung des Drikung Kagyü Komitees Praktizierende zum Drikung Kagyu Institute nach Indien, um mit S.H. Drikung Kyabgön Chetsang das Parinirvana des Gründers der Drikung Kagyü Linie vor 800 Jahren zu feiern. Es lag Seiner Heiligkeit sehr am Herzen, dass möglichst viele zusammenkommen und gemeinsam an den verschiedenen Programmpunkten teilnehmen.

Die meisten kamen schon ein oder zwei Tage vorher an, denn auf der Reise kann gerade in Indien vieles passieren und zudem schadet es nicht, mit etwas Ruhe den Beginn der Veranstaltungen zu erleben. Ich selbst hatte allerdings etwas knapp geplant, kam aber mit dem Nachtbus aus Delhi gerade rechtzeitig am frühen Morgen in Dehradun an. Die ca. 1.500 ausländischen Gäste sind fast alle per Flugzeug angereist und anschließend von Delhi per Flugzeug, Zug, Taxi oder Bus nach Dehradun gekommen. Man war froh, wenn man der Hitze Delhis entflohen war und bei sommerlichen 30°C den Tag verbringen konnte. Die ganze Zeit über war die Sonne uns treu und keine Wolke hat sich blicken lassen. Ein strahlender Rahmen für dieses besondere Ereignis.

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Zur Eröffnung zeigte sich die große Anzahl der Mönche und Nonnen, die aus verschiedenen Klöstern in Nepal, Süd- und Nordindien sowie aus Ladakh angereist waren. Den Großteil der Teilnehmer machten aber die Ladakhis aus, die über mehrere Tage mit Bussen den beschwerlichen Weg aus dem Himalaya auf sich genommen hatten. Es sollen alleine gut 5.000 von ihnen anwesend gewesen sein. Insgesamt waren es ca. 8.000 TeilnehmerInnen. Ein Zelt von riesigen Ausmaßen, ausgestattet mit großen Bildschirmen, bot den Gästen Platz und Schutz vor der Sonne. In den ersten beiden Tagen waren 6.500 Stühle festlich geschmückt aufgestellt, später nur noch einige an den Seiten des Zeltes für diejenigen, die nicht so gut auf dem Boden sitzen konnten.

Dem besonderen Ereignis angemessen, gab es am ersten Tag eine Reihe von Wortbeiträgen, die angefangen von den Organisatoren über offizielle Vertreter des indischen Staates und der tibetischen Exilregierung, von verschiedenen Drikung Rinpoches bis zu Seine, Heiligkeit selbst reichten. Die Bandbreite umfasste Grußworte bis hin zu Dharma-Unterweisungen.

Zeitgleich mit dem Beginn des Programms fand zu Neumond auch das Lichterfest der Hindus, Diwali, statt, das mit jeder Menge Lichterketten am Haus und mitunter sehr lauten Knallkörpern begangen wird. An Diwali besucht man traditionell die Familie und Nachbarn und schenkt sich Süßigkeiten und andere Nettigkeiten. Am ersten Abend des Programms wurden wir, eine Gruppe von 13 Deutschen und zwei Österreicherinnen, in unserem Hotel mit ohrenbetäubender indischer Trommelmusik empfangen. Zwei Musiker spielten sehr tanzbare, immer wieder wechselnde Rhythmen – Bollywood lässt grüßen. Die ganze indische Großfamilie, die das Hotel betreut und in der Nähe wohnt, war dort und hat uns schick gekleidet zum Tanz aufgefordert. Einige haben sich erweichen lassen und mitgetanzt. Eins der dabei aufgenommen Videos hat es sogar bis ins indische Fernsehen geschafft, wovon wir am nächsten Tag sehr überrascht wurden.

Getanzt wurde am zweiten Tag der Veranstaltung auch, allerdings waren es die traditionellen Tänze der Dharma-Schützer wie Mahakala oder Achi Chökyi Dölma, wie wir sie schon öfter bei Klosterfesten oder Aufführungen im Westen gesehen haben. Mönche aus verschiedenen Drikung-Klöstern waren hier im Einsatz, was bei den hohen Temperaturen mit den schweren Kostümen und Masken keine leichte Aktivität war.

Maskentanz1Versorgt wurden die ausländischen Gäste in einem sonnengeschützten und ansprechend eingerichteten Bereich mit leckerem und vielfältigem, hauptsächlich indischen Essen. Hier traf man sich und hatte die Möglichkeit, sich mit anderen auszutauschen. Wie die ganze Veranstaltung wurde auch das Essen frei angeboten. Über eine Spende konnte man sich an den Kosten beteiligen.

Darüber hinaus gab es aber auch verschiedene andere Möglichkeiten, sich zu versorgen. In der Nähe hatten einige Stände Essensangebote oder luden zu einem Getränk ein. Das Kagyu College hatte durch eine Spende einen professionellen Kaffeeautomat erwerben können, mit dem vom normalen Kaffee bis zum Latte Macchiato alles gezaubert werden konnte. Das „800th“ Cafe, in dem es dies alles gab, lag zudem etwas ruhiger und war insbesondere bei den ausländischen Gästen sehr beliebt. Das College konnte dadurch etwas zur eigenen Finanzierung beitragen.

Einweihung1Am dritten und vierten Tag standen die Einweihung und Unterweisungen von S.H. Drikung Kyabgön Chetsang zu einem Praxistext von Rigzin Chökyi Dragpa (1. Drikung Kyabgön Chung­tsang) im Vordergrund. Dieser hatte den Text in einer Vision direkt von Kyobpa Jigten Sumgön empfangen. Er umfasst den gesamten buddhistischen Pfad. Die entsprechende Einweihung wurde zuvor immer nur an max. 25 Personen gegeben. Mit den entsprechenden Unterweisungen und der mündlichen Textübertragung hatten hier nun alle Anwesenden die vollständige Übertragung erhalten, um die Praxis auszuführen. Dazu wurde auch ein sehr kurzer Text für die tägliche Praxis verteilt.

Es wurde so einiges verteilt: Bücher, Pecha-Texte, kleine Statuen, Armbänder, Anhänger usw. Dies war Dank einiger Sponsoren, vornehmlich aus asiatischen Ländern, möglich.

UmweltreferentenAm fünften Tag fand die Ordination von Mönchen und Nonnen statt und am Nachmittag eine Aktion zur Unterstützung armer Personen in der Umgebung des Klosters und zur Reinigung der Umwelt. Seiner Heiligkeit liegt der Umwelt- und Klimaschutz sehr am Herzen und er engagiert sich in verschiedenen Projekten. Nach emotionalen und lautstarken Reden eines Vertreters der Stadt und eines hinduistischen Lehrers, der sich auch sehr für den Erhalt der Umwelt einsetzt, zogen wir dann mit einigen hundert anderen los, ausgestattet mit Atemmasken, dünnen Plastikhandschuhen, einem Cappie und Müllsäcken und säuberten einen Teil der Umgebung von weitverbreitetem Müll. Auch die Bettler wurden mit einbezogen und bekamen nach getaner Arbeit ein paar Rupies. Es kam einiges zusammen, da es keine öffentlichen Mülleimer gibt und es mit der Müllentsorgung allgemein nicht weit her ist. Das Meiste wird einfach offen verbrannt, egal ob Plastik, Papier und sonst etwas.

SaubermachenDer sechste und siebte Tag standen im Zeichen von Pujas, d.h. Meditationen und Gebeten, denen wir nur teilweise folgen konnten. Zuerst gab es eine großes Ganachakra in Verbindung mit der Jigten Sumgön Guru Puja. Dazu hatten am Abend zuvor viele Ordinierte und Laien Stofftüten mit den Gaben gepackt, die dann in der Puja dargebracht, von den Buddhas und Bodhisattvas gesegnet und an alle TeilnehmerInnen verteilt wurden. Am letzten offiziellen Tag leitete S.E. Garchen Rinpoche die große Langlebens-Mandala-Dar­bringung an S.H. Dri­kung Kyabgön Che­tsang. Gaben von allen Zentren weltweit wurden in einer kaum endenden Reihe von Praktizierenden dargebracht. Blütenblätter in überwältigender Zahl wurden zusammen mit Glück verheißenden Gebeten in die Luft und auf alle Anwesenden geworfen. Es war ein wahres Blütenmeer.

Zum Abschluss und zur spirituellen Reinigung wurden am Tag danach vier Feuer-Pujas in jeweils einem Teil des Drikung Kagyu Institutes durchgeführt: eine friedvolle Feuer-Puja in der Songtsen Library, eine vermehrende im Mönchskloster, eine anziehende im Kagyu College und eine zornvolle im Nonnenkloster. Ich konnte der Puja von S.H. im Mönchskloster beiwohnen. Dabei konnte man die Namen von Verstorbenen aufschreiben und durch die Feuer-Puja wurden Hindernisse auf ihrem Weg beseitigt.

TsokLeider wurde das Treffen von Repräsentanten der Klöster und Zentren kurzfristig abgesagt, das anschließend für zwei Tage stattfinden sollte. Da es nur selten eine solche Gelegenheit gibt, bei der so viele Vertreter anwesend sind und man über zukünftige Entwicklungen sprechen kann, ist dies sehr bedauerlich.

Alles in allem war es eine sehr gelungene 800-Jahr-Feier, die mit viel Aufwand und Engagement vorbereitet und durchgeführt wurde. Ich konnte in diesem kurzen Artikel längst nicht alles erwähnen, was dort stattgefunden hat. So wären z.B. auch die Abendveranstaltungen, bei denen die Lebensgeschichten von Kyobpa Jigten Sumgön und Achi Chökyi Dölma nachgespielt wurden, auch sehr erwähnenswert. Aber das würde den Rahmen sprechen.

Obwohl ich kein Freund von Massenveranstaltungen bin, habe ich mich bei dieser Feier sehr wohlgefühlt – eben eine schöne Feier der Großfamilie 🙂

Christian Licht