Freude am Heilsamen – Die verschiedenen Gelübde

Alle fühlenden Wesen wollen Leiden vermeiden und Glück erlangen.
Aber da sie die Ursachen für Glück und Leid nicht kennen,
handeln sie ihren Wünschen entgegengesetzt.

Insbesondere wenn wir wenig Zeit zur Meditation haben, können wir Achtsamkeit im täglichen Leben entwickeln und durch unsere Handlungen wichtige Grundlagen für eine positive Entwicklung schaffen. Dies können wir durch das Aufnehmen von Gelübden stärken, die auf der Gesetzmäßigkeit von Handlung und Resultat (Karma) beruhen. Durch diese Übungen auf den Pfaden können wir die Befreiung von den Leiden des Samsara erlangen.

So, wie man niemals und nirgendwo sehen kann,
dass aus dem Spross eines Reiskornes (als Ursache)
irgendeine andere Pflanze (als Resultat) entstehen kann,
so ist es auch nicht möglich,
dass für einen Disziplinierten die leidvollen Daseinsbereiche entstehen
und für einen Disziplinlosen die glücklichen.

Das Aufnehmen, Einhalten und Reinigen der drei Arten von Gelübden (Selbstverpflichtungen)

Wenn man den Inhalt der vom vollkommenen Buddha,
dem Erhabenen, gelehrten Lehren als Praxis zusammenfasst,
dann sind dies die drei Selbstverpflichtungen.

Die zahlreichen Lehren des Buddha wurden von späteren Meistern immer wieder studiert, zusammengefasst und kommentiert. Es entstanden viele Texte, in denen die Inhalte durch stufenweise Erklärungen vorgestellt werden und entsprechend nachvollzogen werden können. Nach den Grundlagen für den Eintritt in den Pfad folgt die Zufluchtnahme zu den drei Juwelen (Buddha, Dharma und Sangha). Um dann dem Pfad des Buddha zu folgen, nimmt man nach und nach verschiedene Regeln und Gelübde (Selbstverpflichtungen) auf, die in Verbindung mit entsprechenden Übungen zur Reinigung des Geistes und zur Befreiung aus dem Kreislauf des Leidens (Samsara) beitragen.

Dabei beginnt man damit, sich in den fünf allgemeinen Richtlinien zu üben, die mit der Übung der Achtsamkeit auf Körper, Sprache und Geist verbunden sind. Die Gelübde der persönlichen Befreiung (skr. Pratimoksha) umfassen die Regeln für Laien sowie für Mönche und Nonnen. Laienpraktizierende, die verschiedene Gelübde genommen haben, werden als Upasaka/Upasika (tib. Genyen) bezeichnet.

Die Schulung der Upasaka-Disziplin besteht darin, dass man sich abwendet vom:

  1.      Töten, insbesondere von Menschen,
  2.      Stehlen, d.h. offenem oder heimlichem Entwenden von Dingen, die anderen gehören,
  3.      sexuellem Fehlverhalten, wobei man aufgrund von Begierde anderen Schaden zufügt,
  4.      Lügen, d.h. dem Gebrauch unwahrer Worte sowie grober und verletzender Rede und
  5.      Alkohol und anderen Substanzen, die den Geist umnebeln.

Zudem gibt es weitere Stufen, sowohl für Laienpraktizierende als auch für Entsagende (Mönche, Nonnen).

Im Mahayana gehört das Nehmen und Einhalten von Gelübden zur Vervollkommnung der ethischen Disziplin, welche zusammen mit den weiteren Paramitas (Vollkommenheit der Geduld, freudiger Anstrengung usw.) als Grundlage und Stütze auf dem buddhistischen Weg praktiziert wird.

Später folgen die Bodhisattva-Gelübde, die man in Verbindung mit der Entwicklung des Erleuchtungsgeistes (skr. Bodhicitta) aufnimmt. Die Prati­mokhsa-Gelübde und die Bodhisattva-Gelübde sind nicht nur auf den anfänglichen Stufen oder für die Praxis des Mahayana wichtige Grundlagen, sondern auch Voraussetzungen für die Praxis des Vajrayana.

Mit einer Einweihung (skr. Abhisheka, tib. Wang) werden die Vajrayana-Samayas (skr., tib. Damtsig) [1] der verschiedenen Tantra-Klassen gegeben. Diese dienen dazu, die Verbindung, die durch die Einweihung entstanden ist, zu halten. In Verbindung mit dem Segen der Übertragungslinie können so die Verwirklichungen (skr. Siddhis), die mit der jeweiligen Praxis verbunden sind, erlangt werden.

Die Regeln der drei Arten von Gelübden werden immer subtiler und tiefgründiger und es ist wichtig, mit den grundlegenden Übungen zu beginnen, alle drei Arten von Gelübden zu üben, die Gelübde ggf. zu erneuern und Übertretungen durch entsprechende Methoden zu reinigen. Nach dem Nehmen der Gelübde können wir verschiedene Übungen und Methoden zum Erhalten sowie zum Reinigen von Übertretungen anwenden. Dazu sollten wir wissen, welcher Nutzen aus dem Nehmen der verschiedenen Gelübde entsteht, wann eine Handlung vollständig ist, wann ein Gelübde geschädigt oder gebrochen ist und wie man diese reinigen und wiederherstellen kann.

Die Durchführung des Bekenntnisses wird als Posatha (skr., tib. Sojong: ‚so‘ bedeutet ‚anhäufen‘ und ‚jong‘ ‚bereinigen‘) bezeichnet und wird in den Klöstern alle 14 Tage (bei Vollmond und Neumond) durchgeführt. An diesen Tagen wird in der Lehre gedacht, indem man z.B. Klöster besucht, Gaben darbringt oder sich der Praxis widmet, um negatives Karma zu reinigen und Verdienst anzusammeln. Dazu heißt es vom ‚Zweiten Buddha aus Oddiyana (Padmasambhava)‘:

Um alles Positive vollständig wiederherzustellen,
um alle Negativität zu beseitigen,
um Tugend anzuhäufen (so)
und schädliche Handlungen zu bereinigen (jong),
hat der Tathagata die Sojong-Praxis gelehrt.

All dies wird in Kommentaren zu den verschiedenen Arten von Gelübden genau erklärt und in unseren Seminaren besprochen[2]. So können wir lernen, diese wichtigen Methoden zu verstehen, damit wir sie anwenden und ihren Nutzen erfahren. Auch in der heutigen Zeit sind diese Anleitungen eine hilfreiche Orientierung im Alltag, insbesondere, wenn wir sie mit einer entsprechenden Praxis verbinden.

In einem Sutra[3] heißt es:

Gestützt auf die ethische Disziplin entsteht Samadhi
und gestützt auf Samadhi entsteht unterscheidende Einsicht.

1. Ethische Disziplin, 2. Samadhi[4] und 3. unterscheidende Einsicht[5] sind die drei höchsten Schulungen des Geistes. Diese dreifache Geistesschulung ist die essenzielle Übung nicht nur des Tripitaka[6], sondern auch in den Tantras[7]. So heißt es z.B. im Gongchig:

Der graduelle Pfad des Vajrayana
sind die drei höchsten Schulungen des Geistes.

 

Zusammenstellung von Tändsin T. Karuna

 

[1] Samaya (skr., tib. Damtsig): heilige Verpflichtung oder ‚Band‘. Versprechen, die man im Mahayana ‚Gelübde‘ nennt, werden im Vajrayana als ‚Samaya‘ bezeichnet. Dazu zählen: das Band zum Guru (tib. Lama), welches sich durch das Erhalten von Unterweisungen und Ermächtigungen bildet sowie das Band zum Deva (tib. Yidam), der für den Praktizierenden durch die jeweilige Einweihung im Mittelpunkt steht.
[2] Schriftliche Unterlagen und Praxistexte aus unserem Verlag (DKV) oder anderen Quellen können über unserem Mandala Dharma-Shop (auch online) erhalten werden.
[3] Zitiert nach Gongchig Yigcha II. S. 318
[4] Samadhi (skr.): Zustand tiefer Meditation, starke Konzentration. Samadhi wird definiert als ein Zustand des in der Ruhe Verweilens (tib. Shine), wobei der Geist tugendhaft einsgerichtet ist. Um die Qualitäten des ‚in der Ruhe verweilen‘ zu erlangen, muss man in Samadhi eintreten. Dazu müssen wir unseren Geist prüfen, um festzustellen, welche störenden Gefühle in uns vorhanden sind, um die richtigen Gegenmittel einzusetzen.
[5] Vipashyana (skr., tib. Lhagthong): besondere Einsicht, tiefe Einsicht; die Weisheit, die (durch tiefes Erforschen) die eigentliche Bestehensweise der Phänomene erkennt und die von Shamatha (tib. Shine), der tiefen Sammlung oder punktförmigen Konzentration, unterstützt wird. Unter den 22 Kräften gehört dies zu den fünf heilsamen Kräften.
[6] Tripitaka: die drei Körbe der Lehre. Sie gehören zum ersten Rad der Lehre und enthalten die drei Schriftabteilungen der drei Schulungen: (1) Vinayapitaka (skr.), die Schriftabteilung zur Schulung der Ethik, (2) Sutrapitaka (skr.), die Lehrreden zur Schulung der Meditation, (3) Abhidharmapitaka (skr.), die Schriftabteilung des höheren Wissens zur Schulung der Weisheit.
[7] Tantra (skr., tib. Gyü): Kontinuität, ‚Faden‘; äußere Tantra-Klassen: (1) Kriya-Tantra, (2) Charya-Tantra und (3) Yoga-Tantra; innere Tantra-Klassen: (4) Anuyoga, Mahayoga, und Atiyoga.