Die Reinigungspraxis des Vajrasattva

Die zweite der besonderen vorbereitenden Übungen

Auf dem Pfad des Tantra- oder Vajrayana werden die Früchte der Erleuchtung als Pfad benutzt. Um diesem Weg zu folgen, führen wir die entsprechenden Übungen durch, die in den Unterweisungen zu den stufenweisen Pfaden beschrieben werden. Ein Teil der Übungen zur Vorbereitung auf die fortgeschrittenen Methoden der höheren Tantra-Klassen ist die Reinigungspraxis von Vajrasattva und die Rezitation des 100-Silben-Mantras.

Die Mantra-Rezitation von Vajrasattva gilt als beste und wirkungsvollste Methode, um negatives Karma der Vergangenheit zu reinigen und die Verschleierungen des Geistes zu beseitigen, die die jedem innewohnende Buddha-Natur verdecken.

Um die Praxis von Vajrasattva auszuüben, benötigt man zuerst eine Einweihung oder Ermächtigung zur Praxis. Durch die Einweihung erhalten wir den Segen von Vajrasattva und in uns wird der Same für die Verwirklichung der Qualitäten des Geistes gelegt. Außerdem braucht man Erklärungen zur Praxis, um diese dann entsprechend durchzuführen. Die Erklärungen zur Praxis beschreiben die Durchführung der entwickelnden oder aufbauenden Phase der Meditation (tib. Kyerim) sowie der vollendenden Phase der Meditation (tib. Dzogrim).

In der aufbauenden Phase gibt es verschiedene Arten der Praxis, wie z.B. ‚die in einem Augenblick entstehende Meditationsgottheit (skr. Deva, tib. Yidam)‘. Diese Phase der Meditation kann auch in einem stufenweisen Aufbau erklärt werden. In den Unterweisungen im Zusammenhang mit dem tiefgründigen fünfteiligen Pfad (tib. Ngaden) zur Verwirklichung der Mahamudra werden Erklärungen zur Praxis des Vajrasattva auf der Ebene der vorbereitenden Übungen (tib. Ngöndro) gegeben.

Indem wir die Meditation gemäß den entsprechenden Unterweisungen ausführen und weiterentwickeln, können wir alle geistigen Verdunkelungen und Befleckungen sowie alles negative Karma vollständig reinigen. Die Praxis von Vajrasattva gilt als höchste und tiefgründigste Methode der Reinigung. Auf dem stufenweisen Pfad zur Verwirklichung der Mahamudra gehört sie zu den besonderen vorbereitenden Übungen (inneres Ngöndro). Dies ist eine wichtige Grundlage für alle fortgeschrittenen Übungen. Um die Praxis auszuführen, sollte man mit den allgemeinen Grundlagen tibetischer Meditationen vertraut sein. Sie ist aber auch für Anfänger geeignet, da die Visualisierung nicht so umfangreich ist und man sich zunächst in seinem gewöhnlichen Körper vorstellt, während sich Vajrasattva über einem befindet.

Um die Praxis von Vajrasattva zu vervollständigen, sollen wir keine heilsame Handlung vernachlässigen oder für gering halten, auch wenn sie noch so klein erscheint. So hat der Buddha erklärt: „Es kommt ein Tropfen zum anderen und schließlich entsteht daraus ein ganzer Ozean.“ Ebenso sollen wir in Bezug auf unsere heilsamen Handlungen denken. Andererseits sollen wir auch die unheilsamen Handlungen betrachten und nicht denken, dass diese harmlos sind, sondern bedenken, dass ein einziger Funke einen großen Haufen von Heu zum Brennen bringen kann – selbst, wenn dieser so groß ist wie der Berg Meru.

Deshalb soll man am Anfang seine Aufmerksamkeit auf seine Handlungen und sein Karma lenken. Mit der Zeit nimmt das negative Karma immer weiter ab und die Praxis nimmt immer mehr zu.

Auszug aus den Abschriften der Belehrungen zum Ngaden,
die von Drubpön Sönam Jorphel gegeben wurden.