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PHOWA – Die Übertragung des Bewusstseins zum Zeitpunkt des Todes

Allgemeine Erklärungen und Vorbereitungen zur Übertragung der Phowa-Praxis

Im Buddhismus gibt es viele Methoden und Erklärungen, um uns von unseren negativen Geisteskräften zu reinigen und einen befreiten Zustand zu erreichen. Die Lehren des Buddha wurden in verschiedenen Überlieferungen weitergegeben und dabei immer neu verwirklicht, sodass sie noch heute eine lebendige Tradition haben. Im Buddhismus gibt es viele Erklärungen zum Prozess des Sterbens und zu den Erscheinungen im Zustand des Todes. Darüber hinaus werden Methoden gelehrt, mit denen wir zum Zeitpunkt des Todes unser Bewusstsein in einen befreiten Zustand überführen können.

Das Phowa ist eine Methode der Vajrayana-Lehren und wird in allen Schulen des tibetischen Buddhismus gelehrt. Es gehört zu den 6 Doktrinen von Naropa. Diese Methode wird als schnelles und wirksames Mittel angewendet, die Befreiung zu erlangen, um allen Wesen helfen zu können. Wenn wir diese Praxis erhalten haben und nach den Anweisungen durchführen, entsteht eine neue Körperöffnung, durch die das Bewusstsein zur Zeit des Todes den Körper verlassen kann, um in einem höheren Bereich wiedergeboren zu werden. Es gibt verschiedene Zeichen, an denen diese Öffnung erkannt werden kann. Durch das Phowa werden wir von den negativen Eindrücken befreit und werden nicht mehr in den niederen Bereichen wiedergeboren.

Außerdem hat die Praxis des Phowa bereits zu Lebzeiten großen Nutzen, indem sich unser Bewusstsein stabilisiert und klarer wird. Die Motivation zur Dharma-Praxis festigt sich und die Praxis wird intensiver und beständiger.

Marpa, der Übersetzer, erklärt zum Phowa:

Da ich jederzeit mit dem Tod rechnen muss, übe ich immer wieder das Phowa. Ich bin sicher, dass ich nun nicht mehr in den drei niederen Bereichen wiedergeboren werde. Ich lebe angstfrei und habe keine Leiden beim Gedanken an den Tod, denn ich bin ganz sicher, dass ich durch das Phowa in ein reines Buddhaland gelangen kann. Dies ist so sicher, wie ich mich jetzt entschließen kann, von hier nach dort zu gehen.

Die Übertragungslinie

In Tibet gibt es verschiedene Traditionen, die sich in der Übertragungslinie der Lehrer der Linien unterscheiden, aber in ihrer Essenz gleich sind. Das Phowa wird in allen Linien gelehrt. Die Übertragung der Phowa-Tradition ist in der Drikung-Kagyü-Linie besonders tief. Da diese besonders kraftvoll ist, wurde es in Tibet zu einer Tradition, alle 12 Jahre eine „Drikung-Phowa-Ch’en-mo“-Zeremonie durchzuführen, zu der die Menschen zu hunderttausenden zusammen kamen. Wenn dann die Oberhäupter der Linie die Übertragung des Lung gaben, erhielten viele Zuhörer das Zeichen des Phowa.

Arten des Phowa

Es gibt verschiedene Arten des Phowa. Das Phowa, welches hauptsächlich von S.E. Ayang Rinpoche gelehrt wird, ist für diejenigen bestimmt, die die Praxis von Mahamudra oder Maha-ati oder die 6 Doktrinen von Naropa ausüben, ohne sie beendet zu haben. Diese benötigen es im Gegensatz zu denjenigen, die diese hohen Übungen bereits zu Ende geführt haben und für die diese Art des Phowa nicht unbedingt nötig ist. Die Praxis des Phowa erfordert jedoch im Verhältnis zu den anderen Übungen wesentlich weniger Zeit und Übung und ist von großem Nutzen, die anderen Übungen später durchzuführen, wenn wir bisher noch nicht so gute Möglichkeiten dazu hatten.

Das Phowa hat besonders große Bedeutung für diejenigen, die viel negatives Karma angesammelt haben. Es ist die schnellste und sicherste Methode, zu verhindern, dass diese Wesen auf Grund ihres schlechten Karma in niederen Bereichen wiedergeboren werden. Stattdessen können sie in einem menschlichen Bereich wiedergeboren werden. Diejenigen, die weniger negatives Karma angesammelt haben, können im Reinen Land von Buddha Amitabha (Skrt. Sukhavati, tib. Dewachen) wiedergeboren werden.

Praxis und Vorbereitungen

Für die Praxis, die in diesem Leben durchgeführt wird, erhält man die Einweihung, die Erklärungen zur Meditation und die Texterlaubnis von einem autorisierten Lehrer. Während des Kurses wird die Meditation gemeinsam geübt und es werden weitere Erklärungen gegeben, die auch eine Praxis für andere beinhalten.

Um das Phowa zu erhalten, sind verschiedene Übungen zur Vorbereitung notwendig. In Tibet war es üblich, dass das Phowa gegeben wurde, wenn man die vorbereitenden Übungen (tib. Ngöndro) abgeschlossen hatte. Wer dies nicht abgeschlossen hat, sollte versprechen, es nach und nach zu vervollständigen.

Wer dies nicht versprechen kann, sollte die Meditation und Rezitation von Buddha Amitabha (tib. Öpame) und Vajrasattva (tib. Dorje Sempa) abgeschlossen haben. Dabei sollte das Mantra von Buddha Amitabha und das 100-Silben-Mantra von Vajrasattva jeweils 100 000 Mal gesprochen worden sein. Die Rezitation des Mantra von Buddha Amitabha hat Ayang Rinpoche als Vorbereitung auf das Phowa eingeführt, nachdem viele Tibeter aus ihrem Land fliehen mussten und viele Flüchtlinge nicht mehr die Voraussetzungen hatten, um die Vorbereitungen abzuschließen, wenn sie das Phowa lernen wollten.

Wer am Phowa teilnehmen möchte, ohne diese Vorbereitungen abgeschlossen zu haben, soll versprechen, sie nachzuholen und stattdessen jeweils 150.000 Mantras zu zählen. Auf dem Kurs werden noch einmal Erklärungen zur Amitabha-Meditation und zur Praxis von Vajrasattva gegeben, mit denen wir unsere Praxis vervollständigen können.

Da das Phowa eine sehr wichtige Praxis ist, sollten wir uns bemühen, sie bald zu erlernen und die Praxis von Buddha Amitabha und Vajrasattva so oft durchführen, wie wir können, bis wir an einem Kurs teilnehmen können. Erklärungen zu den Vorbereitungen und zur Durchführung der Amitabha-Meditation und der Vajrasattva-Meditation werden in den verschiedenen Zentren angeboten und durch gemeinsame Übungen vertieft.

Der Lehrer

 S.E. Ayang Rinpoche führt an verschieden Plätzen Phowa-Kurse durch, bei denen alle notwendigen Erklärungen und Anleitungen zur Praxis gegeben werden. Er ist als Phowa-Meister bekannt und gehört der Drikung-Kagyü-Linie an.

S.E. Ayang Rinpoche wurde 1941 in Gabe in Osttibet geboren. Er lebte von 1949 bis 1959 im größten Drikung-Kloster von Tibet. Nach der Flucht aus Tibet gründete er ein Kloster in Bylakuppe in Südindien. Er reist seit mehreren Jahren in westliche und östliche Länder und gibt auch dort das Phowa an interessierte Schüler weiter.

Rinpoche hält die Übertragung des Phowa aus drei Linien:

  • Die Übertragung der Drikung-Linie,
  • die Übertragung der Nyingmapa-Linie und
  • die Übertragung des Nam-Che Phowa von Mingyur Dorje, welches von allen Linien praktiziert wird.

In den letzten Jahren fand regelmäßig ein Phowa-Kurs zur Jahreswende in Bodhgaya in Indien statt. Dies ist ein besonders segensreicher Platz für die Durchführung dieser Praxis. Rinpoche will versuchen, diese Tradition auch weiterhin einzurichten.

Die Termine in Bodhgaya oder in Europa können über die Internet-Seiten der Amitabha Foundation oder verschiedene Drikung-Zentren erfahren werden.

Aus Rundbrief 3/2007

und 3/2002