Ein Bericht von der Einweihung der Lotus-Stupa und den Übertragungen zum Affenjahr
Die Anreise
Vor großen Ereignissen gibt es bekanntlich auch meist größere Hindernisse. So gestaltete sich schon die Anreise nach Lumbini als abenteuerlich. Dies betraf mich ebenso bei meiner Reise über Delhi wie auch Gruppen, die via Kathmandu Lumbini ansteuerten. Zunächst wurde ich schon in Düsseldorf wieder ausgecheckt, da das Flugzeug einen Schaden hatte und die Ersatzmaschine weniger Plätze aufwies. Mit viel Glück bekam ich dann einen Platz bei einer anderen Fluggesellschaft am nächsten Tag. Der Zug von Delhi nach Gorakhpur hatte dann bei der Ankunft am Zielort 6,5 Stunden Verspätung, so dass ich Bedenken hatte, noch vor Dunkelheit in Lumbini anzukommen. Nach viel hin und her bekam ich dann den letzten Bus, in dem zum Glück eine der Nonnen saß, die mit auf die Europatournee kommt. So konnte ich zumindest sicher sein auch da anzukommen wo ich hinwollte.
Die Gruppen, die über Kathmandu angereist waren, hatten sowohl auf dem Flug als auch auf der Busreise mit Verspätungen zu kämpfen und waren froh, dann doch noch rechtzeitig gegen 22 Uhr in Lumbini angekommen zu sein. Für den kommenden Tag war nämlich ein Streik angesetzt und kein Bus- oder Taxifahrer traute sich aufgrund der Brutalität der Maoisten sein Gefährt in Bewegung zu setzen. Die einzigen Fortbewegungsmöglichkeiten bestanden im Fliegen, Rikschafahren oder Laufen. So kamen auch einige Gäste mit dem Flugzeug aus Kathmandu nach Bhairawa und hatten dann eine ca. 2,5 Stunden lange Fahrt mit der Fahrrad-Rikscha durch die Mittagshitze bis Lumbini vor sich.
Der Ort
An meinen ersten Besuch in Lumbini im Mai 1996 kann ich mich nur schwach erinnern. Die sengende Hitze und die unzähligen Moskitos sind mir aber in Erinnerung geblieben. Zu der Zeit wurden Ausgrabungen an der Stelle durchgeführt, wo die Geburtsstätte des Buddha liegen soll. Der König Ashoka, der dem Buddhismus zu einer Blüte in seiner Zeit verhalf, hat während seiner Regentschaft die wichtigen Orte, an denen sich der Buddha aufgehalten hat, ausfindig gemacht und dort Säulen errichtet, die auch heute noch vorzufinden sind. Mittlerweile wurde an dieser Stelle der "Sacred Garden" angelegt und man kann sich die Ausgrabungen von ehemaligen Klostergebäuden anschauen. Der wichtigste Teil der Ausgrabungen ist in einem Gebäude untergebracht, auf dem ein Stupa thront. In der Mitte dieses Gebäudes ist die Stelle markiert, wo die Geburt stattgefunden haben soll.
Bei meiner Ankunft in Lumbini, einige Tage nach Neumond, war es schon dunkel und so war nicht viel zu erkennen. Vom Dorf, das nur aus wenigen Häusern besteht, die ähnlich wie in einem amerikanischen Western im Prinzip alle an einer Straße liegen, konnte man mit einer Fahrrad-Rikscha weiterfahren. Ein Areal von einigen Quadratkilometern, das vom Lumbini Development Trust verwaltet wird, soll den verschiedenen buddhistischen Traditionen die Möglichkeit geben, Klöster und religiöse Bauwerke zu errichten. Sowohl die Infrastruktur als auch ein ganze Reihe von Bauten sind noch nicht fertig und es wird sicher noch einige Jahre oder Jahrzehnte brauchen, bis das gesamte Gelände dem vorliegenden Masterplan entspricht.
Die Straße teilt sich an einer immerwährend brennenden Flamme. Hinter der Flamme befindet sich ein sehr langes gerades Wasserbecken, an dessen Ende in ca. 1-2 km Entfernung ein Stupa steht. Auf der rechten Seite des Wasserbeckens befindet sich der Bereich für die Hinayana-Traditionen und auf der linken Seite der Bereich f ür die Mahayana-Schulen.
Der Lotus-Stupa
Wir waren mit den Rikschas links abgebogen und nach einigen Minuten Fahrt durch die Dunkelheit erschien in der Ferne der angestrahlte wunderschöne Lotus-Stupa wie ein hell leuchtendes Juwel. In der landschaftlich zwar schönen Umgebung, die sich wahrscheinlich seit der Geburt des Buddha nicht wesentlich verändert hat, ist es aufgrund des geringen Niederschlags in der Nicht-Monsun-Zeit sehr staubig. Dies trägt neben den kostbaren Materialien und Malereien sicher auch dazu bei, dass einem der Stupa als etwas Reines und Klares erscheint. Umgeben ist der Lotus-Stupa von einer Mauer, auf der in regelmäßigen Abständen viele kleine Exemplare der acht Arten von Stupas aufgesetzt sind.
Durch das prächtige Eingangstor gelangt man in den Innenbereich. Hier war für die vielen Gäste, die anlässlich der Einweihung des Stupa und der anschließenden Übertragungen und Unterweisungen zum Affenjahr gekommen waren, eine große Ebene zum Sitzen sowie eine Bühne für die Rinpoches und besonderen Gäste erstellt worden. Als Schutz vor der kräftigen Mittagssonne war der gesamte Bereich mit Stoff überdacht. Ventilatoren, die an der Dachkonstruktion angebracht waren, sorgten für zusätzlich Kühlung.
In westlicher, nördlicher und östlicher Richtung sind Wohnhäuser auf dem Stupa-Gelände. Davon dient das im Westen eines S.H. Drikung Kyabgön und seinen Begleitern, das im Norden den höheren Rinpoches und das im Osten weiteren Rinpoches und den Khenpos als Unterkunft.
Um den Stupa herum befinden sich in den vier Himmelrichtungen schön geformte Wasserbecken mit Springbrunnen, die bei Dunkelheit mit farbigem Licht angestrahlt werden. In Zukunft werden sicher auch die vielen Pflanzen, die im Moment noch in Töpfen die Wege säumen, die Beete schmücken.
Man kann den Lotus-Stupa auch auf einem inneren überdachten Gang umwandeln. Dieser Bereich sowie ein Großteil des Außenbereiches des Stupa selbst ist mit weißem Marmor ausgelegt bzw. verkleidet. Dies gibt dem Stupa ein edles Aussehen und hat bei den klimatischen Verhältnissen den Vorteil, dieses über einen langen Zeitraum behalten zu können. Ich war sehr über die exzellente Arbeit erfreut, mit der nicht nur der Marmor verlegt worden ist, sondern in der z.B. auch die Malereien ausgeführt wurden.
An den Außenwänden der großen Kuppelhalle, die sich unter der eigentlichen Stupa befindet, sind acht Bilder in kräftigen aber nicht grellen Farben direkt auf den Putz gemalt. Hier finden sich an der Eingangsseite in traditioneller Weise das Lebensrad und die Schützer der vier Himmelrichtungen. Auf den anderen Seiten sind z.B. eine Gruppe von Taras, Guru Rinpoche mit seinen Emanationen und auch Darstellungen der Stupas von Boudha und Swayambhu aus Kathmandu zu sehen.
Wenn man durch den Haupteingang in die Kuppelhalle geht, fällt zunächst der Blick auf den großen Altar mit dem Thron des Dalai Lama in der Mitte, über dem sich eine große Vajradhara-Statue in Vereinigung befindet. Im Altar selbst befinden sich außerordentlich kunstvoll gearbeitete Statuen der 84 Mahasiddhas, die, wie man es auch aus Abbildungen kennt, mitunter sehr ungewöhnliche Körperhaltungen zeigen. Die Wände und der äußere Kuppelbereich des runden Raumes sind in einer sehr leichten, eher pastellfarbenen Art bemalt. Dort finden sich Begebenheiten aus dem Leben des Buddha ebenso wie die fünf Dhyani-Buddhas und weitere Abbildungen von Buddha und Bodhisattvas.
In der Mitte der Kuppel befindet sich dann ein sehr kraftvolles Chakrasamvara-Mandala mit intensiver Farbgestaltung. Dies mag auch einer der Gründe sein, warum vor der offiziellen Einweihung des Stupa eine mehrtägige Einweihung und Praxis des Chakrasamvara durchgeführt wurde.
Über eine Treppe kann man dann auf eine Ebene über der Kuppelhalle gelangen. Von dort hat man zum einen eine gute Aussicht auf die Umgebung und zum anderen, was von größerer Bedeutung ist, gelangt man über eine weitere Treppe zu einem kleinen Raum direkt unterhalb der Stupa, in dem sich, umgeben von ungewöhnlichen Wandmalereien, ein dreidimensionales Mandala befindet, in dessen Mitte eine kleine Kugel platziert ist, die ein Relikt des Buddha enthält. Diese Kugel hat S.H. Drikung Kyabgön persönlich in Thailand erhalten. Über diesem Raum befindet sich dann der eigentliche Stupa in seiner klassischen Form. Insgesamt ist das gesamte Bauwerk 37 Meter hoch.
Die offizielle Einweihung
Die Liste der geladenen Gäste für die offizielle Einweihung des Lotus-Stupa war sicher sehr lang und so hatten sich auch eine größere Anzahl von Personen eingefunden, die durch ihre Funktion oder Aktivitäten in irgendeiner Weise mit dem Stupa in Verbindung stehen. Von der spirituellen Seite her sind zunächst S.H. Drikung Kyabgön und S.H. Taglung Rinpoche sowie viele Rinpoches der Drikung Kagyü Tradition zu nennen, die für diesen Anlass gekommen waren. Es hat mich sehr gefreut, dass auch eine größere Anzahl von Theravada-Mönchen der Einladung gefolgt ist. Insgesamt waren ca. 1200 Mönche und Nonnen anwesend und sicher mehr als 500 Gäste aus Tibet, Ladakh, Taiwan, den USA und Chile sowie verschiedenen europ äischen Ländern.
Das Programm wurde mit dem Darbringen von Opferungen durch die beiden Heiligkeiten und einen Würdenträger des Theravada begonnen, wobei Glück verheißenden Gebete gesprochen wurden. Anschließend folgten Ansprachen von Drubpön Sönam Jorphel Rinpoche, dem spirituellen Leiter der Drigung Kagyud Dharmaraja Foundation, S.E. Garchen Rinpoche und S.H. Drikung Kyabgön sowie Vertretern des Lumbini Development Trust und der Drigung Kagyud Dharmaraja Foundation. Den Abschluss machte dann Ferdinand Rinchen Phuntsok, der als Projektleiter für die gesamte Organisation und Ausführung zuständig war. Er dankte allen an der Planung und dem Bau beteiligten Personen, die mit großem Einsatz zum Gelingen beigetragen haben. Dass es nicht immer einfach war, insbesondere in der kurzen Zeit, dieses Projekt zu verwirklichen, zeigte sich daran, dass S.H. Drikung Kyabgön die Verantwortung für die zornvollen Aktivitäten von Ferdinand übernahm, da er durch den engen Zeitrahmen ernormen Druck auf Ferdinand ausgeübt hat.
Auch wenn noch das ein oder andere um die Lotus-Stupa herum vollendet werden muss und auch das Gebäude des zukünftigen Retreat-Zentrums derzeit noch ein Rohbau ist, so kann man alle Beteiligten nur beglückwünschen für das, was sie bisher geschafft haben.
Nach der Mittagspause wurden durch verschiedene Musikgruppen und Personen aus den unterschiedlichen Ländern Darbietungen als Opferungen dargebracht. Anschließend gab S.H. Drikung Kyabgön die mündliche Übertragung des Guruyoga von Kyobpa Jigten Sumgön gefolgt von der Umrundung des Lotus-Stupa für Frieden und Harmonie in der Welt, wobei das Mantra von Jigten Sumgön rezitiert wurde. Den Abschluss der Feierlichkeiten bildete der Auftritt des bekannten Ensembles Sur Sudha, die spirituelle Musik von großem künstlerischem Wert darboten.
Die Übertragungen und Unterweisungen zum Affenjahr
Dem Zyklus des tibetischen Kalenders folgend finden alle 12 Jahre, d.h. jeweils im Affenjahr bestimmte Übertragungen und Unterweisungen durch die Heiligkeiten und Eminenzen der Drikung Kagyü Tradition statt. Leider war es diesmal S.H. Drikung Kyabgön Chungtsang Rinpoche nicht möglich, aus Tibet zu kommen, so dass ein Bild auf seinem Thron die geistige Anwesenheit symbolisch verdeutlichte.
So übernahm S.H. Drikung Kyabgön Chetsang Rinpoche allein die Aufgabe die Einweihungen in den Medizin Buddha, die 84 Mahasiddhas, Padmasambhava und die Weiße Tara zu erteilen. Dabei ging S.H. am Ende der Einweihung selbst, gefolgt von einer größeren Anzahl von Rinpoches, mit den rituellen Objekten durch die Reihen, so dass jeder persönlich den Segen erhielt. Zwei weitere Übertragungen, die speziell in der Drikung Tradition überliefert sind, wurden in den letzten drei Tagen gegeben. Dies war zum einen die große Drikung Übertragung zur Erzeugung des Erleuchtungsgeistes, die sich über zwei Tage hin erstreckt und das große Drikung Phowa, das für die Übertragung des Bewusstseins zum Zeitpunkt des Todes von unschätzbarem Wert ist.
Vor und während der Einweihungen und Übertragungen durch S.H. wurden Mandala-Opferungen von verschiedenen Gruppen an die Heiligkeiten, Rinpoches und die ordinierte Sangha dargebracht. Dabei werden zunächst viele gute Wünsche in poetischer Form verlesen. Dies kann selbst bei schnellem Vorlesen mitunter 10-15 Minuten in Anspruch nehmen. Da dies alles nur auf tibetisch verlesen wurde, musste man sich schon etwas in Geduld üben bis es dann endlich mit der eigentlichen Zeremonie weiterging. Nichtsdestotrotz haben wir auch von der deutschen Sangha eine Mandala-Opferung organisiert und dargebracht. Immerhin umfasste die Gruppe ca. 40 Personen. Allerdings haben wir die Ansprache etwas kürzer gefasst und auch in Englisch vortragen lassen.
Die Übertragungen von S.H. fanden meist am Nachmittag statt, so dass am Morgen ab 9 Uhr Zeit für Unterweisungen war. S.H. hatte verschiedene erfahrene Rinpoches gebeten, zu verschiedenen Themen zu sprechen. Diese erklärten zunächst immer, dass sie eigentlich keinerlei Qualitäten hätten, um vor einer so großen Anzahl von qualifizierten und erfahrenen Praktizierenden zu sprechen, aber sie die Bitte S.H. nicht hätten ablehnen können und daher nun versuchen würden, etwas von ihrem bescheidenen Wissen oder ihren geringen Erfahrungen zu vermitteln. Zudem haben sie sich meist schon vorher für alle möglichen Fehler in den Unterweisungen entschuldigt.
Vortragende Meister waren S.E. Garchen Rinpoche, der zusätzlich auch eine geheime Achi Chökyi Dölma Einweihung gab, S.E. Gyabra Rinpoche, S.E. Lhochen Rinpoche, S.E. Drubwang Rinpoche, S.E. Lho Kunzang Rinpoche, S.E. Togdän Rinpoche, S.E. Ayang Rinpoche und S.E. Chagme Rinpoche. Übersetzt wurden die in tibetisch gehaltenen Unterweisungen nach chinesisch, ladakhi und englisch. Es waren dafür bestimmte Bereiche abgetrennt, in denen die jeweilige Übersetzung zu hören war.
Den Abschluss der Veranstaltung bildete eine Langlebenszeremonie für S.H. Drikung Kyabgön. Schon an den Vortagen war der gesamte Bereich mit Blumengirlanden geschmückt worden und nun wurden während der vielen Glück verheißenden Gebete unzählige Blüten geworfen, so dass am Ende der Boden von Bl üten bedeckt war.
Leider mussten viele der von weitem angereisten Gäste frühzeitig die Abschlusszeremonie verlassen, um noch rechtzeitig nach Kathmandu oder Indien zu gelangen, da für den nächsten Tag ein Streik für ganz Nepal angesetzt war und man dann kaum eine Möglichkeit hat, zu reisen. So kann auch ich nicht sagen, was sich dort im Folgenden noch ereignet hat.
Die Rückreise
Ä hnlich wie die Hinreise war auch die Rückreise nicht ohne Schwierigkeiten machbar. So erlitt ein Bus auf dem Weg nach Kathmandu einen Achsbruch und der nach mehreren Stunden bereitgestellte Ersatzbus wies erheblich weniger Plätze auf. Meine Rückfahrt nach Delhi verzögerte sich aufgrund der Farbenfestivals, bei dem sich in Indien die Leute gegenseitig mit Farbe bespritzen oder anmalen und des häufigeren auch nicht mehr ganz zurechnungsfähig sind. So mussten wir zweimal für eine längere Zeit warten bevor die Menge auf den Straßen etwas beruhigt hatte und sich der Busfahrer wieder traute weiterzufahren. Insgesamt waren es dann 28 Stunden Busfahrt, wonach man sehr froh ist, wenn man sich in die Horizontale begeben kann.
Letztendlich sind aber wohl alle wieder heile zuhause angekommen, sicherlich um einige Erfahrungen und Eindrücke reicher. Den wirklichen Nutzen einer solchen Reise und den erhaltenen Einweihungen und Übertragungen kann man sicher schwer ermessen. Wenn man jedoch den Ausführungen der Meister vertrauen schenkt, so wird sich der Nutzen zum Zeitpunkt des Todes oder spätestens in einem nächsten Leben zeigen.
Könchog Paglam
Eine Sammlung von Photos aus Lumbini ist hier zu finden.
Aus Rundbrief 2/2004