Buddhismus im westlichen Alltag leben

Auszüge aus einem Vortrag von Khenpo Tamphel

Seit ein paar Jahren lebt Khenpo Tamphel in Wien und lehrt und forscht dort an der Universität. Er hat aber schon vorher häufiger westliche Länder besucht und kennt unsere Lebens- und Denkweise aus eigener Erfahrung. Daher haben wir ihn 2019 um einen Vortrag gebeten, wie man seiner Einschätzung nach den Buddhismus in den westlichen Alltag integrieren kann. Nachfolgend drucken wir Auszüge seines Vortrags ab.

Gemeinsamkeiten und Unterschiede
Alle fühlenden Wesen haben Buddha-Natur. In dieser Hinsicht gibt es keinen Unterschied zwischen Menschen im Osten und Westen. Alle erfahren Leiden. Daher sind auch die Gegenmittel, die man anwenden kann, die gleichen. Alle können die Erleuchtung erlangen.

Aufgrund der verschiedenen Arten, wie wir unser Leben gestalten, gibt es aber Unterschiede zwischen Ost und West. So haben die Menschen im Osten mehr Zeit. Man kann auch sagen, dass sie flexibler im Umgang mit der Zeit sind. Ich kenne zwar nicht alle Länder des Westens, aber in Deutschland, Schweden, Österreich usw. haben die Menschen eine sehr starke Anhaftung an die Zeit. Es wäre gut, wenn sie ihre Zeit für den Dharma verwenden würden. Es ist allerdings auch gut, wenn man pünktlich ist. Im Osten ist es eher so, dass die Leute zwar zeitlich ‚flexibel‘ sind, aber manchmal sind sie auch faul oder nicht sehr pünktlich. Wir sollten daher nicht denken, dass die Menschen im Osten alle sehr gute Praktizierende wären.

Für diejenigen, die wirklich praktizieren wollen, ist es im Osten aber oft einfacher. Man muss keine Steuern zahlen oder Versicherungen abschließen usw. Das alles gibt es zwar auch, aber es ist nicht so wie hier im Westen. Wir sind hier eher wie ein Teil einer Maschine. Wenn sich einige Teile bewegen, müs-sen sich die anderen mitbewegen. Im Osten kann sich so ein ‚Teil‘ leichter aus der Maschinerie herausstehlen.

In unserem System hier wird versucht, die Menschen zu beschützen. Das ist eine gute Idee. Es gibt eine sehr gute medizinische Versorgung, Krankenhäuser usw. Aber das Leben dauert nicht ewig und keine Versicherung kann uns davor bewahren, dass wir irgendwann sterben werden. Daher sollten wir sozusagen eine Versicherung für unseren Geist abschließen. Die Versicherung für den Geist ist die Praxis des Dharma.

Wenn wir praktizieren, benötigen wir zunächst Ruhe. In den Texten heißt es: am Anfang sollte man sich in die Einsamkeit begeben, wo es keine Ablenkungen gibt. Nach der Erfahrung, die Khenpo Tamphel hier gemacht hat, neigen die Menschen im Westen nicht so sehr dazu, andere zu stören. Wenn wir unsere Tür zumachen, kommt meistens auch niemand herein. So können wir unsere Zeit nutzen, um ungestört zu praktizieren. Im Osten neigen die Menschen eher dazu, sich einfach zu besuchen und ständig an die Tür zu klopfen. Man trifft keine konkreten Verabredungen. Man kommt einfach vorbei, trinkt Tee oder isst etwas zusammen. So gibt es eine ganze Menge Ablenkungen.

Unsere Wohnungen im Westen sind fast wie (Meditations-)Höhlen. Wenn Khenpo Tamphel in Österreich in seine Wohnung kommt, hat er Zeit für sich. Wenn er sich nicht verabredet hat, kann er praktizieren. In Indien war es dagegen eher so, dass jeden Tag Freunde kamen und man bis zehn, elf Uhr zusammengesessen und sich ausgetauscht hat.

Dharma-Praxis als guter Freund
In der Dharma-Praxis kann man einen Begleiter finden, der wie ein guter Freund ist. Dies kann sich auch auf die Art und Weise auswirken, wie man die Leute um sich herum betrachtet und wie man denen begegnet, die vielleicht im gleichen Haus wohnen. Sonst sind wir vielleicht eher gleichgültig. Durch die Praxis haben wir die Chance, unsere Zeit zu nutzen. In den Menschen, die uns begegnen, können wir Freunde finden und sie können zu unseren ‚Objekten‘ werden, auf die wir unser Mitgefühl richten. Auf diese Weise nutzen wir zusätzlich diese Zeit für unsere Praxis.

Im Osten ist der Lebensstil anders. Im Allgemeinen hat man sehr viele Freunde und Verwandte. Man ist mit vielen Menschen zusammen und es gibt vielleicht auch auf der emotionalen Ebene eine bessere Qualität. Nehmen wir z.B. einen Rikscha-Fahrer in Delhi und schauen uns an, wo und wie er wohnt. Wir können uns kaum vorstellen, dass jemand in einer solchen Behausung leben kann – vielleicht sogar noch mit Frau und Kindern. Trotzdem singt er bei der Arbeit und ist oft sehr glücklich, denn jeder spricht mit ihm, man
erzählt den anderen von seinen Schwierigkeiten und teilt sogar die eigenen Sachen miteinander.

Hier ist das anders. Wir haben gute Straßen, gute Kleidung, eine schöne Wohnung usw. Trotzdem sind sehr viele Menschen unglücklich. Ich denke, dass dies vielleicht damit zusammenhängt, dass viele Menschen nicht genügend soziale Kontakte haben. Im Osten ist es manchmal ganz gut, diese vielen Beziehungen zu haben, aber es sind auch viele Ablenkungen damit verbunden, so dass man kaum dazu kommt, den Dharma zu praktizieren.

Liebe und Mitgefühl entwickeln
Es wird uns nicht so schnell gelingen, das System zu ändern, aber wir können seine Vorteile nutzen. Wenn wir nach Hause kommen, haben wir die Freiheit, zu entscheiden, was wir tun möchten. Diese Möglichkeit können wir nutzen, um z.B. Liebe und Mitgefühl zu entwickeln. Das führt dazu, dass wir auch selbst glücklich werden. Dieses Glück kommt aus unserer eigenen Natur. Wir brauchen weniger äußere Dinge, von denen wir glauben, dass sie uns glücklich machen. Das Glück kommt aus uns selbst. Das ist eine große Quelle der Freude.

Dieses Glück können wir auch weitergeben. Wenn wir andere Personen im Hausflur treffen, können wir freundlich mit ihnen sprechen. Vielleicht müssen wir noch nicht einmal etwas sagen. Allein die Art und Weise, wie wir lächeln oder sie anblicken, ist schon etwas, was wir an Gutem weitergeben können.

Wenn man z.B. sehr authentische und gute Lehrer sieht und die Menschen, die zu ihnen kommen, beobachtet, dann sieht man, wie sie lächeln, wie glücklich sie sind und wie sie alle eine gute Zeit haben. Das ist sehr beeindruckend. Man kann dabei gar nicht so genau sagen, wodurch das ausgelöst wird. Es scheint eine bestimmte Art von Energie zu sein, die diese Lehrer entwickelt haben und die man in solch einer Umgebung spürt. Es ist wie eine innere Zufriedenheit oder Glück. Auf der Basis unserer eigenen, täglichen Übung können wir selbst etwas davon erlangen. Dann ist es uns auch möglich, dieses Glück an andere weiterzugeben.

Der Buddha sagt, dass wir auch uns selbst gegenüber genauso Liebe und Mitgefühl entwickeln sollten wie gegenüber allen anderen. Das heißt nicht, dass wir jetzt in irgendeiner Weise selbstsüchtig werden und uns nur noch um uns selbst kümmern sollen, aber wir müssen auch keine Heiligen werden. Es geht darum, wirklich die Einstellung zu haben, dass alle Wesen glücklich sein wollen und deshalb die Erleuchtung erlangen sollen. So wird es auch in den Texten beschrieben.

Was können wir tun, wenn wir den Nutzen aller fühlenden Wesen erreichen wollen? Welcher Weg ist der richtige? Es ist etwas sehr Subtiles, zunächst wirklich unsere eigenen negativen Emotionen aufzugeben. Wir können nicht direkt sehen, ob und wie dies tatsächlich auch anderen nützt. Wenn wir aber überlegen, dass das jeder für sich selbst tun würde, würde es keinen Krieg und anderes Leid mehr geben. In einer Familie, in der eine Person voller Liebe und Mitgefühl ist, wird das auch auf die anderen ausstrahlen und alle Mitglieder der Familie werden dadurch Glück erfahren. Es gibt also einen Effekt auf die anderen. Wenn wir wirklich allen etwas Gutes tun wollen, müssen wir zunächst unsere eigenen Hausaufgaben machen. Das ist ein Beispiel, wie wir in dieser westlichen Gesellschaft praktizieren können.

Zuflucht zu den drei Juwelen
Für die eigentliche buddhistische Praxis nimmt man zunächst Zuflucht zum Buddha, zur Lehre (Dharma) und zur Gemeinschaft (Sangha). Der Buddha ist der Lehrer, der Dharma ist der Weg und der Sangha ist die Gemeinschaft. Damit verbunden bringt man auch liebende Güte zu allen fühlenden Wesen hervor. Die Zufluchtnahme ist das, was uns zu Buddhisten macht. Das heißt, dass man die Praxis so ausführt und den Weg so beschreitet, wie es der
Buddha gelehrt hat. Die Gemeinschaft sind diejenigen, die den gleichen Weg gehen wie wir. Sie sind wie unsere Klassenkameraden, die uns bei der Praxis unterstützen.

„Zuflucht zum Buddha“ bezieht sich zunächst auf die äußere Zuflucht. „Zuflucht zum Dharma“ bezieht sich auf die Lehre, wie z.B. auf die Prajnaparamita-Texte, die die höhere Weisheit erklären. „Zuflucht zum Sangha“ kann sich auf Bodhisattvas wie Manjushri, Avalokiteshvara oder irgendeinen anderen Bodhisattva richten. Das ist die äußere Zuflucht.

Der innere Buddha
Der innere Buddha ist die Natur unseres Geistes. Die Natur des Geistes ist vollkommen rein, wie es der Buddha im dritten Rad der Lehre anhand von vielen Beispielen dargelegt hat. Wie viele negative Gedanken wir auch haben mögen, sie werden die reine Natur des Geistes nicht verändern. So, wie Gold, das über tausende Jahre im Schlamm liegt, Gold bleibt, ist auch die Natur des Geistes in allen fühlenden Wesen unverändert vorhanden. Auf dieser Grundlage kann jedes fühlende Wesen die Erleuchtung erlangen. Der äußere Buddha ist jemand, der uns auf diesen inneren Buddha hinweist, wie uns ein Pfeil auf den Weg hinweist. Den inneren Buddha – unsere Buddha-Natur – können wir durch die Meditation oder die Praxis finden.

Dadurch entsteht in uns auch mehr Mitgefühl mit den fühlenden Wesen. Alles, was wir dann tun oder sagen, hat einen Nutzen für uns selbst und für die anderen. Das alles kommt natürlich nicht durch einen Text, den wir gelesen haben, oder durch eine Statue oder Räucherstäbchen. Dies sind äußere Bedingungen. Die Qualitäten kommen alle aus der Buddha-Natur selbst. Wenn diese beginnt, sich zu öffnen, entfalten sich Qualitäten wie Liebe und Mitgefühl, Frieden, Zufriedenheit usw. Es sind grenzenlose Qualitäten. All diese Qualitäten sind bereits vorhanden. Es ist nicht möglich, sie zu erschaffen. Wir haben uns in unserem Sein aber so sehr reduziert, dass wir glauben, diese Dinge seien für uns unmöglich oder gar nicht vorhanden. Aber in Wirklichkeit ist es so, dass es diesen inneren Buddha wirklich in uns gibt. Diese Buddha-Natur (skr. Tathagatagarbha) ist in allen Wesen vorhanden.

Drei Arten von Motivation
Der Buddha hat 84.000 verschiedene Belehrungen gegeben, damit wir das, was gerade erklärt wurde, verstehen. Was auch immer wir gerade praktizieren: wenn wir es zunächst nur tun, um Glück zu erlangen, ist dies unsere grundlegende oder anfängliche Kapazität. Im Westen gibt es viele, die Meditation praktizieren, um einfach einen friedvollen Geist zu erlangen. Sie streben nicht die Erleuchtung an, sondern wollen eine gewisse Ebene der Entspannung und des Wohlseins erreichen. Das ist in diesem Fall die grundlegende oder anfängliche Art der Motivation.

Die mittlere Art der Motivation gründet sich darauf, dass man den Kreislauf des Leidens (Samsara) verstanden hat. Wo oder in welcher Art wir auch im Daseinskreislauf geboren werden – ob reich oder arm, ob als Mann oder als Frau, als Mensch oder als Tier – nirgendwo gibt es wirkliches oder verlässliches Glück. Jeder Zustand ist vergänglich und wird sich wieder ändern. Das Glück, das wir in Samsara erleben, ist eigentlich auch nur Leiden. Aus diesem Grund kann man die Einstellung entwickeln, sich letztendlich aus Samsara befreien zu wollen.

Die größte und kraftvollste Weise, um das Haften an einem Selbst aufzulösen, ist die Geisteshaltung, dass wir die Erleuchtung zum Wohle aller fühlenden Wesen anstreben. Wir sollen versuchen, mit dieser höchsten Motivation zu praktizieren.

Wie man Dharma praktizieren kann
Wenn wir von der Dharma-Praxis sprechen, haben viele Menschen im Westen eine bestimmte Vorstellung. Sie stellen sich z.B. vor, dass man sich in einem Tempel befindet, dass man einen Text rezitiert und meditiert, dass man eine Glocke in der Hand hat, eine Damaru spielt usw. Wenn das möglich ist, ist das sehr gut. Aber der Dharma kann auch auf andere Weise Teil unseres alltäglichen Lebens werden.

So ist z.B. die Achtsamkeit in unserem täglichen Leben sehr wichtig. Wenn wir zehn Minuten am Morgen und zehn Minuten am Abend praktizieren können, ist das sehr gut, aber wenn keine Achtsamkeit dabei ist, vergessen wir alles schnell wieder. Dann springen wir abends ins Bett und alles ist vorbei. Es ist also sehr wichtig und sehr gut, unsere Achtsamkeit weiter zu entwickeln. Man kann auch ein Versprechen ablegen. Das heißt, dass man sich selbst ein bisschen in eine Richtung bringt und auch ein bisschen unter Druck setzt. Dann fängt man an, diese Praxis zu üben. Mit der Zeit wird es immer einfacher werden. Nach einem Monat ist diese Praxis dann vielleicht schon ganz selbstverständlich für uns geworden. Dann ist es wirkliche Dharma-Praxis.

Dharma ist eigentlich ungetrennt von unserem Geist. Die Texte sind Buchstaben, die uns helfen sollen, unser Inneres zu entwickeln. „Dharma (skr., tib. Chö)“ bedeutet, dass man etwas verändert, dass man etwas transformiert oder umwandelt. Wenn wir Liebe hervorbringen, verändert das letztendlich unseren Geist. Die negativen Emotionen werden durch etwas Positives ersetzt, bis wir letztendlich Erleuchtung erlangen.

Was Dharma wirklich ist
Zum Abschluss möchte Khenpo Tamphel noch einmal betonen, dass wir zunächst fühlen und wirklich verstehen sollen, was Dharma eigentlich ist. Dharma sind keine bestimmten Rituale, die traditionell ausgeführt werden usw. Diese Rituale sind eher wie Gefäße, durch die z.B. Liebe, Mitgefühl oder andere Dinge transportiert und entwickelt werden können. Dharma ist aber nicht daran gebunden, auf eine traditionelle Art und Weise praktiziert zu werden. Das Wichtige ist, dass wir uns bemühen, Liebe, Mitgefühl usw. in das eigene Leben zu integrieren. Der Buddha hat nicht mit einem Text unter dem Bodhibaum gesessen und etwas rezitiert. Es kann zwar sehr hilfreich sein, Texte zu rezitieren, aber das Wichtigere ist, dass wir die Qualitäten, um die es im Dharma geht, in unserem eigenen Geist entwickeln. Diese Qualitäten sind z.B. Liebe, Mitgefühl usw.

Manchmal haben wir vielleicht das Gefühl, dass das, was wir zustande bringen, nicht mehr ist als ein Tropfen auf den heißen Stein. Dann sollten wir uns vor Augen führen, dass ein steter Tropfen schließlich einen ganzen See anfüllen kann. Wenn jemand zehn oder fünfzehn Jahre lang wirklich praktiziert, kann das einen erstaunlichen Effekt haben. So kann auch Achtsamkeit eine große Wirkung entfalten, wenn sie im Geist mehr Kraft bekommt. Auf Basis der Achtsamkeit kann man dann tiefe Einsicht (skr. Vipashyana) praktizieren und die Wurzel der Unwissenheit abschneiden. Dadurch wird die Erleuchtung erlangt.

Das ist so, als würden wir unseren Geist in ein brennendes Räucherstäbchen verwandeln: all die verschiedenen Geistesgifte, die in unserem Geist auftauchen – sei es Ärger, Hass, Begierde, Anhaftung, Eifersucht, Neid usw. – zerplatzen wie Luftballons, sobald sie von dem brennenden Räucherstäbchen berührt werden. Das geschieht aber nicht über Nacht, sondern wir brauchen die tägliche Praxis, um es zu erreichen. In Verbindung mit der Achtsamkeit ist die Entwicklung von Liebe und Mitgefühl sehr wichtig und ganz essenziell. Haben wir diese wirklich entwickelt, stärkt es unsere Achtsamkeit nur noch mehr, wenn Geistesgifte im Geist auftauchen. Sobald sie auftauchen, werden sie auch wieder zerplatzen. Das ist so, als ob man zusätzliches Holz in ein Feuer wirft. Das Feuer brennt noch stärker.

Praxis im Westen
Ich meine, dass gerade für Menschen im Westen der Schlüssel zur Praxis des Dharma in der Kombination von Achtsamkeit und Bodhicitta liegt. Wenn wir es also schaffen, diese wirklich zu praktizieren und in unser Leben zu integrieren, ist das sehr hilfreich. Ohne diese Übungen wird unsere geistige Entwicklung sehr begrenzt sein.

Wenn wir etwas praktizieren ist es wichtig, dies mit unserem Herzen tun. Dazu müssen wir auch ein eigenes Verständnis der Lehren entwickeln. Das bedeutet z.B., dass wir uns bewusstmachen, dass dieses Leben vergänglich ist. Dazu gehört auch, dass wir uns fragen, ob wir all die Dinge, die wir besitzen, wirklich brauchen. Wenn wir zu dem Schluss kommen, dass wir unser Leben wirklich mehr der Dharma-Praxis widmen wollen, können wir vielleicht auch irgendwo anders hingehen, sei es in den Himalaya oder auch an einen anderen Ort. Solche Dinge sollen wir uns vorher aber sehr genau überlegen. Dann haben wir später nichts zu bereuen. Dabei sollten wir nicht voreilig handeln, nur weil andere dies oder das praktizieren oder hierhin und dorthin gehen. Das ist nicht die Art und Weise, wie der Dharma praktiziert werden soll.

So hat Khenpo Tamphel z.B. von jemandem gehört, der die Lebensgeschichte von Milarepa gelesen hat und sich dann dachte: „Das will ich ganz genauso machen.“ Diese Person ist nach Lapchi gegangen, um dort zu praktizieren. Lapchi ist ein Gebiet im Himalaya, wo auch Milarepa meditiert hat. Dann hat er sich dort hingesetzt und versucht, wie Milarepa zu praktizieren. Nach sieben Tagen hat er schon gemerkt, dass das nicht so einfach ist. Er kam zu dem Schluss: „Milarepa war ein Bettler und er hat mich jetzt auch zu einem Bettler gemacht.“ Das sollte nicht passieren.

Mündliche Übersetzung von Christian Licht
Abschrift von Anna Wermeester, Bearbeitung von Rolf Blume,
Christian Licht, Marta Brahma, Tändsin T. Karuna