Atisha

Sieben Punkte Geistestraining (Tib. Lojong)

Grundlagen zur Umsetzung buddhistischer Praxis und der Anwendung im täglichen Leben

Das Geistestraining befasst sich mit dem Herz des Dharma: Bodhicitta (Skrt.), dem Erleuchtungsgeist zum Nutzen aller Wesen. Das „Sieben Punkte Geistestraining“ wurde mit der Absicht entwickelt, die Hervorbringung von Bodhicitta zu unterstützen. Es ist im tibetischen Buddhismus als „Lojong“ (‚Haltungs’-Training) bekannt und gibt Anweisungen zur Schulung des Geistes. Ein Punkt beinhaltet auch die als „Tonglen“ bekannte Praxis des Gebens-und-Nehmens.
AtishaDas Geistestraining bezieht sich auf einen Text, der im 11. Jahrhundert nach Tibet gelangte. Von den zahlreichen Instruktionen, die von Ati­sha, einem großen indischen Meister, nach Tibet gebracht wurden, wurde dieser besondere Text von seinen Schülern zusammengestellt, die ihn in sieben Punkten zusammenfassten. Zunächst wurden Ati­shas Unterweisungen geheim gehalten und nur an die nächsten Schüler weiter gegeben, die über erprobte Fähigkeiten und ernsthafte Praxiserfahrungen verfügten. Durch Chekawa Yeshe Dorje (1102-1176), für den diese Praxis von besonderer Bedeutung war, fanden sie eine größere Verbreitung. Schließlich wurden die Lehren über viele Jahrhunderte zur Geistesschulung in allen wichtigen Traditionslinien des tibetischen Buddhismus weiter gegeben und bis heute praktiziert. Heute gibt es viele verschiedene Quellen großer Meister der verschiedenen tibetischen Traditionen aus der Vergangenheit und Gegenwart, die man heranziehen kann, um die einzelnen Punkte zu erklären.

Die sieben Kapitel sind eine grundlegende Zusammenfassung der Sicht und Anwendung des Mahayana-Buddhismus. Sie beinhalten

  1. Die Vorbereitungen
  2. Die Hauptpraxis – die Schulung des zweifachen Erleuchtungsgeistes (Skrt. Bodhicitta)
  3. Wie man widrige Umstände in den Pfad einbringt
  4. Die Praxis des Geistestrainings im täglichen Leben
  5. Die Kriterien (Einschätzung/Beurteilung) für die Schulung des Geistes
  6. Die Regeln des Geistestrainings
  7. Die Anweisungen zum Geistestraining

Gesche TschekawaIn diesen sieben Punkten sind zahlreiche Ratschläge enthalten, mit denen man seine täglichen Übungen ergänzen und weiter entwickeln kann. Diese Ratschläge werden in 59 „Merksätzen“ kurz und prägnant vorgestellt, die als Werkzeuge in den gewöhnlichen Situationen des Lebens angewendet werden können. Die Merksätze reichen von: (1) Übe Dich zuerst in den Vorbereitungen; über Aussagen wie: (24) Ändere Deine Haltung, aber bleibe natürlich; (34) Belade einen Ochsen nicht mit der Last eines Dso[1]; bis zu der Anweisung: (59) Erwarte keinen Beifall.
Die Unterweisungen zu den einzelnen Punkten beschreiben, wie die Praxis des Geistestrainings angewendet wird. Die Anleitungen und Ratschläge können uns dabei helfen, eine ausgeglichene Praxis zu entwickeln und die kostbaren Lehren des Buddha in unserem Leben zu nutzen. Zuerst ist es wichtig, durch die Praxis von Achtsamkeit die richtige Basis zu schaffen. Dann wendet man die verschiedenen Ratschläge nach und nach in der Meditation und auf die Situationen des Alltags an. Sie sind insbesondere dazu geeignet, schwierige Situationen und Hindernisse für die Praxis zu nutzen.

Gerade in der heutigen Zeit, in der es viel Verwirrung und Unruhe gibt, ist das Geistestraining für alle unentbehrlich, die ein spirituelles Leben mit mehr Weisheit und Mitgefühl führen möchten. Die kurzen Merksätze lassen sich im Alltag anwenden, nachdem man dazu entsprechende Unterweisungen erhalten hat. Die Anwendung kann in weiterführenden Seminaren und Praxisgruppen besprochen und vertieft werden.
Inzwischen liegen auch in deutscher Sprache einige Übersetzungen und Kommentare (vgl. Literaturhinweise am Ende des Artikels) vor und können ergänzend zur Meditation und für die tägliche Umsetzung hinzugezogen werden.

Literaturhinweise zu Veröffentlichungen in deutscher Sprache:

Mit einem * versehene Bücher können in unserem Buchladen gekauft oder über unseren Mandala-Shop im Internet unter http://mandala.drikung.de bestellt werden. Da wir keine große Anzahl aller Titel vorrätig haben, können wir Eure Bestellungen sammeln und weitere Bücher ggf. bis zum Seminar bei den Verlagen besorgen. Bestellungen nehmen wir bis zum Anmeldetermin (2.5.07) entgegen.

– Dalai Lama: Den Geist erwecken, das Herz erleuchten, Goldmann Verlag

– Jamgon Kongtrul: Der große Pfad des Erwachens, Ein Kommentar zu der Mahayana-Lehre der sieben Punkte der Geistesübung, Theseus-Verlag erste Auflage 1989, dritte Auflage 1996 (vergriffen)

– Dilgo Khyentse Rinpoche: Die sieben tibetischen Geistesübungen, Das Herzstück buddhistischer Praxis, O.W. Barth Verlag, 2. Auflage 1996 (leider zur Zeit vergriffen)

* Chögyam Trungpa: Erziehung des Herzens, Buddhistisches Geistestraining als Weg zu Liebe und Mitgefühl, Arbor-Verlag 2000, € 16,90

– Lojong – Schulung von Herz und Geist, 59 Merksätze, zusammengestellt von Sylvia Wetzel, edition tara libre, Berlin 1999 (sehr kurz zusammengefasst und mit praktischen Ratschlägen versehene Schrift)

– Namkha Päl: Sonnenstrahlen des Geistestrainings, Kommentar zum Sieben-Punkte-Geistestraining, Theseus Verlag 1997 (vergriffen, jetzt enthalten in dem Buch von -> Geshe Thubten Ngawang)

*Geshe Thubten Ngawang: Mit allem verbunden, Geistesumwandlung im Mahayana-Buddhismus, Diamant-Verlag München, 2005 (ausführliche Darstellung aus Unterweisungen zur Geistesschulung, zusammen mit dem Grundtext „Sonnenstrahlen des Geistestrainings“), € 26,-

– Ayya Khema, Pema Chödrön: Offenes Herz – mutiger Geist, Die Kraft buddhistischer Nonnen für den Westen, Jnana Verlag, Mai 2004, (hierin erklärt Pema Chödrön die Praxis des Tonglen sowie einige der Lojong-Losungen), € 19,00

* Pema Chödrön: Beginne wo Du bist, Eine Anleitung zum mitfühlenden Leben, Aurum Verlag, 3.Auflage 2000, € 15,50

* Pema Chödrön: Tonglen, Der tibetische Weg mit sich selbst und anderen Freundschaft zu schließen, Arbor-Verlag, 5. Auflage 2006, € 14,90


[1] als Mischung zwischen einem Yak und einem Rind ist ein Dso wesentlich kräftiger als ein Ochse

Aus Rundbrief 2/2007