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Das erste Drikung-Zentrum in der Mongolei

Der Buddhismus hat in der Mongolei eine lange Tradition. Seit dem 17. Jahrhundert fand ein intensiver religiöser Austausch mit Tibet statt, so dass sich das Vajrayana in Verbindung mit den tibetischen Traditionen in der Mongolei etablierte. Während der Zeit der kommunistischen Herrschaft in der Mongolei in den Jahren 1924 – 1990 wurden buddhistische Klöster zerstört, Gelehrte und Mönche verfolgt und getötet. Eine Aus übung des Buddhismus war höchstens im Geheimen möglich.

Seit der Hinwendung zur Demokratie erwachte das Land aus dem religiösen Koma, doch wird es noch viele Jahre brauchen, bis sich wieder eine gesunde buddhistische Kultur entwickelt hat. Einige Klöster sind mit viel Einsatz wieder aufgebaut worden, jedoch fehlen ganze Generationen von Ordinierten. So gibt es sehr wenige gut ausgebildete oder erfahrene buddhistische Lehrer, die die tiefgründige buddhistische Lehre an die jungen Mönche und Nonnen weitergeben können. Hier ist man zunächst auf die Unterst ützung tibetischer Gelehrter und Meditationsmeister angewiesen.

Die meisten Klöster stehen in der Tradition des Gelugpa-Ordens und einige wenige in der Nyingma- oder Kagyü-Tradition. Umso erfreulicher ist es, dass nun das erste Drikung Kagyü Zentrum ins Leben gerufen wurde.


Im Juni 2004 wurde das Tilopa Center auf Initiative von Jan Felgentreu und seiner Frau Badmaa gegründet und kurz danach als gemeinnützige NGO (Nicht-Regierungs-Organisation) anerkannt. Jan Felgentreu betreut seit ca. 10 Jahren Entwicklungsprojekte einer deutschen Hilfsorganisation in der Mongolei. Vor gut vier Jahren fand der erste Kontakt zwischen ihm und unserem Zentrum statt und es ist schön zu sehen, welche Entwicklung sich seitdem vollzogen hat.

Mit der Gründung des Tilopa Centers ging auch die Einweihung des Landes und die Grundsteinlegung des Retreat Centers einher, das an dem historischen Ort des Shaduvlin Klosters in der Nähe von Ulaanbaatar errichtet wird.


Zu diesem Anlass war Drubpön Chamspa Rigzin in die Mongolei eingeladen worden, der die entsprechenden Rituale durchführte. Mittlerweile haben die Bauarbeiten schon gute Fortschritte gemacht. Zwei Retreat-Häuser sind fertig gestellt, die Gompa und das Retreat-Zentrum werden wohl auch diesen Sommer bezugsfertig sein. Zur Koordination und für regelmäßige Veranstaltungen wurde in Ulaanbaatar ein Stadtzentrum mit Büro und Meditationsraum aufgebaut. Hier besteht die Möglichkeit für Mongolen, die sich näher mit dem Buddhismus beschäftigen möchten, grundlegende Erklärungen zur Lehre und Meditation zu erhalten.

Die Reise von Drubpön Chamspa Rigzin war wohl der erste Besuch eines Drikung Lamas in der Mongolei seit des demokratischen Umbruchs. Neben den Aktivitäten des Tilopa Centers gab es auch Veranstaltungen in der Ostgobi, wo sich viele Teilnehmer einfanden, um die Einweihungen und Erklärungen zu erhalten.

In diesem Sommer wird ein Drikung Lama für 6 Monate in die Mongolei reisen und beim weiteren Aufbau des Tilopa Centers behilflich sein sowie Unterweisungen zur buddhistischen Lehre geben.

Das Tilopa Center unterstützt auch die Übersetzung und Drucklegung von Dharma-Büchern und Meditationstexten. Junge mongolische Mönche bekommen die Möglichkeit der Ausbildung in Indien oder China und das Tilopa Center hilft bei den Reisevorbereitungen und organisiert eine Kostenbeteiligung. In Kürze werden elf junge Leute, von denen fünf schon als Mönche ordiniert sind, nach Indien reisen und eine Ausbildung im Drikung Kagyü Institut in Dehra Dun erhalten, um dann später als Residenz-Mönche beim Tilopa Center und dem Khamriin Kloster aktiv zu werden. Beratende Funktion hat das Tilopa Center beim Wiederaufbau und der späteren Nutzung des Sangiin Dalai Klosters und dem Demchig Klosters in der Südgobi. Das Tilopa Center ist auch daran interessiert, an zwei weiteren historischen Plätzen in der Mittelgobi, wo vor der stalinistischen Zeit in der Mongolei ein Kagyü- und ein Nyingma-Tempel standen, diese wieder aufzubauen.

Des Weiteren hat sich das Center als Ziel gesetzt, die traditionelle mongolisch-tibetische Medizin zu fördern. Dafür eröffnete das Tilopa Center im Oktober 2004 gemeinsam mit der Oyuntulhuur Stiftung eine Landarztpraxis in der Südgobi. Die Behandlung ist kostenlos und Medikamente werden für ein geringes Entgelt abgegeben. Ein Teil der Medikamente wird auch vor Ort hergestellt und der dortige Arzt ist praktizierender Buddhist. Die Praxis befindet sich ebenfalls an historischer Stelle in der unmittelbaren Nähe des Sangiin Dalai Klosters. Das Gebäude, in dem sich die Praxis befindet, ist das ehemalige Wohnhaus der Rinpoches und Khenpos des Klosters. Die Direktorin des Tilopa Centers und ein weiterer Mitarbeiter sind zurzeit dabei, für den Deutsch-Mongolischen Kulturverein ein mongolisches Medizin-Sutra in die deutsche Sprache zu übersetzen.

Ein weiteres Projekt des Tilopa Centers ist der Aufbau eines Hospizes. Seit kurzem hat nun auch dieses erste mongolische Hospiz seine Betriebserlaubnis erhalten. Es ist derzeit mit sechs unheilbar kranken Personen belegt, die so ihre letzten Tage in einer Umgebung mit guter Pflege, psychosozialer Betreuung und buddhistischer Sterbebegleitung verbringen können.

Zusammenstellung von Christian Licht, Juni 2005

Aus Rundbrief 3/2005