auffuehrung

Zwei Busse voll Juwelen

Mit 13 Drikung Nonnen auf Europatournee

Bericht von Könchog Paglam

Die Vorbereitungen

Bekanntlich gibt es vor größeren Ereignissen auch immer erstmal größere Hindernisse zu bewältigen. Zunächst war es für uns eine ganz neue Herausforderung, eine Europatournee für eine so große Gruppe zu organisieren und es hat einige Zeit gebraucht, bis die Kontakte zu den Veranstaltern in den verschiedenen Ländern und Städten geknüpft waren. Zudem mussten Informationen über das Kloster, die Nonnen, das Programm, die Kosten usw. gesammelt werden, so dass man ungefähr abschätzen konnte, was auf uns und die Veranstalter zukommen wird.

 

Was wir nicht eingeplant hatten, waren die Schwierigkeiten ein Visum für die Nonnen bei der deutschen Botschaft in Delhi zu erhalten, da die Auskünfte der Botschaft dies zunächst auch nicht vermuten ließen. Zwischenzeitlich hatten wir die Befürchtung, dass die ganze Tournee abgesagt werden muss, obwohl alles schon komplett vorbereitet war. Es bedurfte des Engagements einer Reihe von Personen und Institutionen, bis nach vielem hin und her letztendlich dann doch die Visa erteilt wurden.

Zum Glück war es bei den anderen fünf Botschaften nicht ganz so schwierig, aber so ein Botschaftsmarathon zerrt schon an den Nerven. Ein ausdrücklicher Dank geht dabei an Lhakpa, die Sekretärin des Nonnenklosters, die für viele Tage im heißen Delhi bleiben musste, um einen Großteil der Formalitäten abzuwickeln. Sie begleitete die Nonnen auch auf der ganzen Tournee.

Der Beginn der Tournee "Juwelen vom Dach der Welt"

Am 20. April ging es dann endlich los: Abflug von Delhi nach Frankfurt. Für die Nonnen war es der erste Flug ihres Lebens und eine gewisse Aufregung wird sicher vorhanden gewesen sein. Nach guter Landung in Frankfurt brauchten jedoch die Zollbeamten bei der Kontrolle der Pässe so lange, dass sie den Anschlussflug nach Düsseldorf nicht bekommen konnten. Das hatte zur Folge, dass erst 10 Stunden später eine Möglichkeit für den Weiterflug gefunden werden konnte. Parallel dazu funktionierte die Kreditkarte nicht, mit der wir in Düsseldorf die zwei Mini-Busse mieten wollten, und so musste kurzfristig jemand gefunden werden, der seine Karte zur Verfügung stellt. Alles in allem also ein aufregender Anfang, der dann aber doch noch ein gutes Ende fand, so dass wir zum Abendessen alle zusammen in Aachen ankamen.

Wir hatten die ersten zwei Wochen als Eingewöhnungs- und Vorbereitungsphase vorgesehen, in der wir uns gegenseitig besser kennen lernen, sich die Nonnen auf die neue Umgebung einstellen können und natürlich der Ablauf der Aufführungen noch einmal durchgegangen werden konnte. So haben wir einige Ausflüge in die Umgebung von Aachen unternommen, wie z.B. in ein christliches Nonnenkloster in der Eifel oder zum Dreiländereck. Der Öcher Bend (Kirmes) stand dabei ebenso auf dem Programm wie ein Besuch im Zirkus Roncalli, der uns freundlicherweise Freikarten zur Verfügung gestellt hatte.

Leider konnten nicht immer alle Nonnen mitkommen, da es zunächst einige gesundheitliche Probleme gab. Hauptsächlich waren es Magenbeschwerden und Durchfall, was wir eigentlich eher von unseren Reisen nach Indien kennen, doch scheint die umgekehrte Reiserichtung dies mitunter auch mit sich zu bringen. Eine kleinere Operation am Kopf einer Nonne war auch notwendig. Wir hatten jedoch eine vorzügliche Betreuung durch einen befreundeten Arzt, so dass sp äter alle wieder wohlauf waren.

Am zweiten Tag nahmen wir direkt eine CD auf, die dann später während der Tournee angeboten wurde und einen Großteil des Veranstaltungsprogramms enthält. Neben einem Vortrag und zwei kurzen Meditationen auf dem Vortragswochenende der Deutsch-Tibetischen Kulturgesellschaft in Bonn standen mit Düsseldorf, Aachen und Köln in der zweiten Woche drei Aufführungen auf dem Programm. Wir hätten uns dabei ein paar mehr Zuschauer gewünscht, aber so fand es in einem etwas kleineren Rahmen statt, was für die Eingewöhnungsphase wohl auch ganz in Ordnung war.

Die Reise in den Norden

An den folgenden 8 Tagen waren wir in den baltischen Staaten Lettland und Estland sowie in Finnland unterwegs. Hier lag die Organisation der Veranstaltungen in der Hand professioneller Konzertagenturen. Entsprechend sah der Veranstaltungskalender auch für jeden Abend mit Ausnahme des ersten Abends eine Aufführung vor. Es war eine gute Erfahrung auch diese Art der Tourneeorganisation einmal kennen zu lernen.

Es waren im Allgemeinen große Konzertsäle mit bis zu 800 Zuschauern, in denen die Aufführungen stattfanden und die gut besucht oder auch ausverkauft waren. Man merkt, dass gute Verbindungen zur Presse und zum Fernsehen einen großen Einfluss auf die Zuschauerzahlen haben.

Durch das Reisen zu den Veranstaltungsorten und die abendlichen Aufführungen war zumindest in Estland und Finnland kaum Zeit, mehr von den Städten oder dem Land zu sehen, was sehr schade war. In Lettland und Estland hatten wir aber die Möglichkeit mit Mitgliedern der dortigen Drikung-Zentren zusammenzutreffen, die uns zum Essen eingeladen hatten.

Die Reise in den Süden

Nach dem Rückflug nach Deutschland ging die Tournee dann mit den beiden Mini-Bussen weiter, wobei jeweils für einen Zeitraum von bis zu 10 Tagen Ani Sabine, Adi, Gero und Fredi nacheinander als zweiter Fahrer mit uns unterwegs waren.

Es würde den Rahmen sprengen, zu jedem einzelnen Ort in Deutschland, Österreich und der Schweiz, den wir auf der Reise besucht haben, etwas zu schreiben, obwohl es sehr viel Schönes, Lustiges und Interessantes zu berichten gäbe. Angesichts der großen Mühe, die sich alle Veranstalter und ihre Helfer gegeben haben, um den Aufenthalt der Nonnen so angenehm und interessant wie möglich zu gestalten, möchten ich mich zumindest ganz herzlich bei allen bedanken, dass es so reibungslos abgelaufen ist und die Nonnen viele gute Eindrücke und Erfahrungen mit nach Hause nehmen konnten.

Allgemeine Eindrücke von der Tournee

Wir haben eine sehr gute Resonanz bzgl. der Aufführungen bekommen. Eigentlich tue ich mich mit dem Wort "Aufführung" etwas schwer, da es ja keine "Show" war, die aufgeführt wurde und ich denke, dass dies auch bei den Zuschauern angekommen ist. Die Nonnen haben durch ihre konzentrierte und hingebungsvolle Art, mit der sie die Gebete, Meditationen und Tänze durchgeführt haben, die Anwesenden berührt und einen Geschmack dessen vermittelt, worum es letztendlich bei den religiösen Tänzen und Gebeten geht. Dass es in dieser Weise möglich war, ist sicher zu einem großen Teil Drubpön Sönam Kunga zu verdanken, der über mehrere Jahre die Nonnen als Lehrer betreut hat. Ich war beeindruckt, mit welcher Gelassenheit und welchem Selbstverständnis die Nonnen auch in den großen Konzertsälen vor Hunderten von Zuschauern ihre Praxis ausführten. Da haben wir uns hinter der Bühne wahrscheinlich mehr Sorgen als sie gemacht, dass etwas mal nicht klappen könnte.

Neben den Veranstaltungen gab es häufiger die Möglichkeit, sich Städte anzuschauen, wobei für die Nonnen das Inspizieren der Geschäfte meist interessanter war als "looking old houses". Besonderer Beliebtheit erfreuten sich Spielplätze. Die Natürlichkeit und Fröhlichkeit kam hier am besten zum Ausdruck und steckte an, so dass auch unbeteiligte Personen wieder Lust bekamen, sich mal auf eine Schaukel zu setzen. Angesichts der Tatsache, dass jede Nonne trotz ihrer jungen Jahre schon wirklich schwierige Situationen in ihrem Leben erfahren hat, ist es umso schöner zu sehen, dass sie trotzdem ihre Fröhlichkeit behalten haben.

Ein Punkt, der sehr wichtig für das gute Gelingen der Tournee war, ist die Fürsorge der Nonnen untereinander. Zum einen gab es keine Streitereien (oder ich habe sie nicht mitbekommen) und darüber hinaus fand ich es faszinierend zu sehen, wie sie sich untereinander das Maß an Zuwendung gaben, dass jede benötigte.

Nicht, dass nun der Eindruck entsteht, als wären die Nonnen alles Heilige. Sie haben alle ihren eigenen Charakter und sicher ihre Stärken und auch Schwächen, aber die grundlegende Motivation und das Vertrauen in den Dharma machen einen Unterschied zu vielen Menschen hier im Westen aus. Dabei ist ihre Praxis nicht auf bestimmte Zeiten beschränkt, sondern durchdringt den ganzen Tag. Häufig wurden z.B. während der Autofahrten Gebete und Mantras gesungen oder die persönliche Praxis ausgeführt.

Ich denke, dass nicht nur ich diese Erfahrungen gemacht habe, sondern dass dies von anderen auch so empfunden wurde. Ich würde sagen, dass das hauptsächliche Ziel der Tournee, den Kulturaustausch zu fördern, erreicht wurde, denn auch die Nonnen haben ihren Horizont erweitert und einiges gesehen und erlebt, was sie in ihrer Zukunft begleiten wird.

Die Finanzen

Ein weiteres Anliegen der Tournee war es, Spenden für den Ausbau des Nonnenklosters zu sammeln, da es mittlerweile viel zu klein geworden ist. Zum einen kamen bei den Veranstaltungen durch eine Spendenbox Gelder zusammen und zum anderen sind Spenden für diesen Zweck auf unserem Konto eingegangen. Diese Gelder können nun die Bautätigkeiten ein Stück voranbringen.

Die Besucherzahlen bei den Veranstaltungen waren sehr unterschiedlich. Einige Veranstalter konnten leider die Kosten nicht durch die Veranstaltungseinnahmen decken und mussten eigene Mittel einsetzen, um das Defizit auszugleichen, was wir sehr bedauern.

Leider mussten die eingeplanten Veranstaltungen in Frankfurt und Slowenien ausfallen, so dass auch uns am Ende Einnahmen fehlen, um die Flüge, die gemieteten Busse und andere allgemeine Tourneekosten aufzubringen. Im Moment gehen wir davon aus, dass unser Zentrum durch die Tournee mit ca. 5000 € belastet wird. Im Vorfeld der Tournee konnten leider keine Sponsoren gefunden werden, die größere Posten übernahmen. Wir würden uns natürlich freuen, wenn sich nachträglich noch Personen finden, die dazu beitragen, dass unser Defizit geringer ausfällt.

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Auch wenn der finanzielle Punkt sicher das Gesamtbild der Europatournee etwas trübt, so sind wir doch im Allgemeinen mit dem Verlauf sehr zufrieden, da es sowohl für die Nonnen als auch für uns Neuland war, das wir betreten haben. Entscheidend für eine Beurteilung ist aber vor allem der Nutzen für die Beteiligten und hier kann man sicher sagen, dass die Tournee nachhaltig positive Eindrücke bei vielen hinterlassen hat.

Aus Rundbrief 3/2004