Dialogtreffen in Meschede 2016

Zuhören, Verstehen und Nachempfinden – Ein Modell für den interreligiösen Dialog

Seit mehr als 10 Jahren bin ich Teilnehmer des Arbeitskreises „Christlich-buddhistischer Dialog“ des Erzbistums Köln und bin über den offenen, respektvollen und vertrauensvollen Austausch immer wieder angetan, der diesen Kreis prägt. Das hängt natürlich auch mit den Mitgliedern zusammen, aber nicht nur. Eine von Wertschätzung geprägte Dialogkultur und eine raumgebende Dialogstruktur sind wichtige Elemente, die persönliche Einblicke ermöglichen und das gegenseitige Verständnis fördern.

Nachfolgend stellen wir das Modell dieses interreligiösen Dialogs vor, der als gut funktionierendes Beispiel hoffentlich viele Nachahmer findet.

Entstehung des christlich-buddhistischen Dialogs in Köln
Die Gründung eines Arbeitskreises „Christlich-buddhistischer Dialog“ erfolgte im Jahr 2006 durch Mitarbeiter*innen aus dem Erzbistum Köln und dem Bistum Aa­chen sowie weitere Personen mit profilierten Kenntnissen und Erfahrungen im christlich-buddhistischen Dialog. Der gemeinsame Wunsch war es, zu den bestehenden christlich-islamischen und christlich-jüdischen Dialogkreisen eine christlich-buddhistische Dialoginitiative zu schaffen. Dafür gab es verschiedene Gründe: Zum einen ist der Buddhismus in seinen unterschiedlichen Strömungen und Prägungen in Deutschland präsent und zum anderen stellt er für Christinnen und Christen eine bereichernde, geistig-geistliche Herausforderung dar.

Teilnehmende des Treffens in Meschede 2011

In diesen Arbeits- und Dialogkreis wurden ab 2007 buddhistische Persönlichkeiten in die kontinuierliche Arbeit einbezogen. Die Zusammensetzung sollte nicht eine institutionell-strukturelle Ebene abbilden, sondern dialogbereite und -erfahrene Personen zusammenführen. 2020 gehörten 12 Personen dem Arbeitskreis an.

Ziele und Aktivitäten
Die Treffen sollen einen regelmäßigen Austausch über Dialogaktivitäten und Entwicklungen in Kirchen und buddhistischen Gemeinschaften fördern, Wege eines christlich-buddhistischen Dialogs erkunden, gemeinsames Lernen durch Begegnung ermöglichen und die Planung von gemeinsamen Seminaren vereinfachen. Dabei wird der Dialog als ein interpersonales Geschehen verstanden und von Interesse als Haltung und als Wissen um eine Verbundenheit aller Menschen getragen. Zudem sind die Fähigkeit und Bereitschaft zu hören und persönlich Auskunft zu geben, eine Öffnung für das Lebens- und Erfahrungswissen der Anderen sowie die Offenheit und Bereitschaft für geistliche Erfahrungen von entscheidender Bedeutung.

Es finden dreimal im Jahr zweistündige Treffen statt, in denen die Mitglieder sich zu konkreten Themen und Aktivitäten austauschen. Zusätzlich findet seit 2008 einmal jährlich von Freitag bis Sonntag ein Dialogtreffen im Haus der Stille der Benediktinerabtei Königsmünster in Meschede statt.

Mehrtägige Dialogtreffen
An den Dialogtreffen in Meschede nehmen außer den Mitgliedern des AK weitere christliche und buddhistische Persönlichkeiten teil. Der Kreis umfasst etwa 15 Personen, von christlicher Seite sind es bisher überwiegend katholische Christinnen und Christen, von buddhistischer Seite Angehörige der Theravada- und Zen-Tradition sowie des tibetischen Buddhismus.

Einblick in das Haus der Stille

Das Haus der Stille erwies sich durch seine transparente und in seiner auf das Wesentliche konzentrierte Architektur und Hausgestaltung als ein sehr geeigneter Ort für die Dialogtreffen. Das Haus strahlt Ruhe und Gelassenheit aus. Reduktion und Konzentration auf Wesentliches prägt auch den gemeinsamen Austausch, der nicht durch verdeckte Absichten geleitet ist.

Prägend für die Begegnungen ist ihr dialogischer Charakter, dessen wesentliches Merkmal Interpersonalität ist. Es stehen nicht wissenschaftlich-sachliche Informationen im Vordergrund, sondern die persönliche Beziehung zu einem Thema. Dabei leitet eine Fragestellung die Teilnehmenden, wodurch sie ihre Aspekte ins Gespräch einbringen und sich das Thema mit seinen inhaltlichen Aspekten auf diese Weise erschließt. Erläuterungen zum Verständnis verdeutlichen die persönliche Sichtweise. Spannend wahrzunehmen ist, dass es nicht nur aus der christlichen und buddhistischen Perspektive unterschiedliche Zugänge und Aussagen gibt, sondern auch innerchristliche und innerbuddhistische Ausführungen eine Pluralität aufweisen.

Zunächst geht es in der Begegnung um Hören und Verstehen der Impulse, die eine Teilnehmerin oder ein Teilnehmer zum Thema gibt. Nachfragen dienen dem tieferen Verstehen. Im Verlauf der Begegnung und des Dialoges werden Gemeinsamkeiten in Überzeugungen, aber ebenso Unterschiede deutlich. Ziel ist nicht, eine gemeinsame Position in einem Thema zu erarbeiten, sondern in der Präsenz des Anderen das Eigene zu bedenken und im Verstehen zu lernen. So sind die Begegnungen Ausdruck einer interreligiösen Lerngemeinschaft.

Dialogtreffen in Meschede 2016

Vorbereitung und Durchführung der Dialogtreffen
Am Beginn steht die Verständigung auf das Thema. Die Inhalte der Treffen behandelten bisher die Komplexe „Erkennen von Zusammenhängen“ (Dialog des inhaltlichen Austauschs), „Spiritualität“ (Dialog religiöser Erfahrungen) und „Ethik“ (Dialog des verantwortlichen Handelns). So wurden im Laufe der Jahre u.a. folgende Themen ausgewählt: Liebe und Mitgefühl, Weisheit – Prajna und Sophia, Umgang mit Leiden, Befreiung/Erlösung, Angst und Angstüberwindung. Alle Teilnehmenden wählen einen kurzen Text zum Thema aus ihrer Tradition aus, der die persönliche Sicht und Verbundenheit mit dem Thema zum Ausdruck bringt.

Während des Treffens wechseln sich inhaltliche Impulse und Gespräche mit spirituellen Zeiten (besonders durch gemeinsames Sitzen im Schweigen und Gebete) ab. Dabei werden die inhaltlichen Impulse, auch wenn sie Informationen transportieren, auf einer persönlichen Ebene gehalten. Es besteht also eine feste Tagestruktur mit Zeiten des Austauschs, der Mediation und gemeinsamer Mahlzeiten.

Erfahrungen
Die Teilnehmenden teilen eine Reihe von guten Erfahrungen, die dieses Format des Dialogs ermöglicht:

  • Die Begegnungen leiten an, das Eigene im Angesicht des Anderen zu durchdenken, zu erläutern und in Relation zu setzen.
  • Es wird eine (Seins-)Verbundenheit in der Präsenz der Anderen wahrgenommen und erlebt und Unterschiede werden als Bereicherung erkannt.
  • Die gemeinsamen Meditationen im Schweigen verbinden.
  • Die Begegnungen beschränken sich nicht nur auf den verbalen Austausch, sondern umfassen auch gemeinsames Schweigen.
  • Es findet eine Erweiterung der eigenen Perspektive auf das Leben und die religiöse, spirituelle Praxis statt.
  • Die gleiche Ernsthaftigkeit bei der Suche und religiösen Praxis inspiriert und lässt Wertschätzung entstehen.
  • Offenheit und Verständnis füreinander wächst und ermöglicht die Entwicklung einer menschlichen Nähe, wodurch Freundschaften in tiefem gegenseitigem Vertrauen entstehen können.

Ein neues Online-Format
Wie bei den meisten Veranstaltungen und Treffen haben wir auch den christlich-buddhistischen Dialog seit ein paar Monaten auf Zoom umgestellt. Neben den üblichen Treffen, bei denen es häufig auch um Organisatorisches und Neuigkeiten aus dem Umfeld der verschiedenen Mitglieder geht, sind zweimonatliche Online-Treffen initiiert worden, bei denen es für 90 Minuten um ein zuvor festgelegtes Thema geht. Ein Mitglied gibt dabei eine kurze Einführung als Impuls und im Folgenden können alle darauf eingehen oder weitere Gesichtspunkte und Erfahrungen einbringen. Bisher hat es erst einmal stattgefunden und wir sind gespannt, wie es sich weiterentwickelt.

Persönliche Stimmen von Mitgliedern des Arbeitskreises

Anne von der Eltz:
Mich hat bewegt, dass ich bei allen Teilnehmenden das tiefe Bedürfnis wahrnehmen konnte, im Dialog Gedanken darüber, was der Mensch ist, was Wahrheit ist, was Transzendenz ist, mit anderen zu teilen und dabei Neues zu lernen. Also wie oben angesprochen, durch das Spiegeln im anderen das Eigene zu reflektieren.
Die Offenheit und Ernsthaftigkeit, mit der wir uns zuhören, durchdrungen von leichtfüßigem Humor, sind Kennzeichen unserer Begegnungen.

Mein Dialog mit dem Christentum war vor langer Zeit nach meiner Konfirmation zu Ende gegangen, da ich für mich keinen Weg in einen erwachsenen Glauben finden konnte. Der reife spirituelle Austausch mit Christen weckt in mir erneut Wertschätzung für meine eigene buddhistische Tradition sowie für die tiefe Dimension der christlichen Spiritualität.

Verändert hat sich, dass ich nun stärker die verbindenden Qualitäten gelebter Spiritualität als die trennenden Konzepte zweier Traditionen erfahren habe und dadurch die Freude und Gewissheit, dass inter-religiöse Kommunikation gelingen kann.

Die Treffen des Arbeitskreises dienen mir als Vorbild für den Dialog mit anderen Glaubensrichtungen, oder auch dem inner-buddhistischen Dialog.

Dr. Werner Höbsch:
Der in der wirklichen, nicht oberflächlichen Begegnung gründende Dialog bereichert und verändert Menschen. Leben bedeutet wachsen – geistig und geistlich. Das habe ich in den christlich-buddhistischen Begegnungen in Meschede erfahren.

Zu diesen Erfahrungen gehören das Lernen durch die persönlichen Impulse aller Teilnehmenden der Begegnungen, die spirituelle Vertiefung im gemeinsamen Schweigen und die Entwicklung von tiefen Beziehungen und Freundschaften. Für mich wesentlich ist das Sehen und Erkennen des Eigenen im Angesicht des Anderen. Glauben ist nicht statisch, sondern vielmehr ein Weg, der sich in und durch Begegnung entfaltet.

In der Begegnung mit Christinnen und Christen, mit Buddhistinnen und Buddhisten in Meschede habe ich wahrgenommen, was es heißt – zuerst mir selbst – Rechenschaft zu geben von der Hoffnung und dem Vertrauen, die mich erfüllen (1Petrus 3,5): Was meine ich, wenn ich „Gott“ sage? Aus welchem Vertrauen heraus gestalte ich mein Leben?

Das für mich Wesentliche in den christlich-buddhistischen Begegnungen ist die enge Verbindung von Spiritualität, Wegen des Erkennens und des lebendigen persönlichen Austauschs.

Maria Hungerkamp:
2012 bin ich zum ersten Mal „eingetaucht“ in den bereits bewährten Dialogkreis – und war sofort drin in einer Weise interreligiösen Miteinanderseins, in der es um Begegnung, um „Inter sein“ geht. In diesem Austausch zwischen Christen und Buddhisten finde ich das bestätigt, was Martin Buber mit seinem bekannten Satz formuliert hat: „Alles wirkliche Leben ist Begegnung“. Und in Fortführung zu Bubers Gedanken hab ich etwas erfahren von: Ich (Christ*in) werde am Du (Buddhist*in).

Wie eine „Grundierung“ dieser Begegnungstage sind für mich die gemeinsamen Meditationszeiten, das Sitzen im Schweigen. Über alle Verschiedenheit hinweg wirkt das Verbindende.

Fasziniert und überrascht bin ich immer wieder neu, wie vielfältig, bunt und lebensfroh buddhistische Überzeugungen aufscheinen.

Mein Erleben aus diesen Tagen bleibt nicht ohne Wirkung auf meinen Alltag.  Übungen des Zen haben in meiner Spiritualität Einzug gehalten ebenso wie eine gefestigte Überzeugung, dass es in jeder Religion Werte und Güter gibt, die es nicht nur zu achten, sondern auch zu teilen gilt.

Dr. Wolfgang Siepen:
Es besteht für mich ein erheblicher Unterschied darin, ob wir über Texte oder Positionen – sei es auch noch so tiefsinnig – reden, oder ob wir uns hinein spüren in eine Glaubenshaltung, sei es die eigene oder die der anderen beteiligten Personen. Genau dies zeichnet unsere christlich – buddhistischen Begegnungen in Meschede aus.

Es scheint mir die permanente Aufgabe eines interreligiösen Dialogs zu sein, hinter den jeweiligen rationalen oder intellektuellen Verortungen das spezifisch Menschliche des tragenden Grundes eines hoch geschätzten Menschen wahrnehmen zu dürfen. Folglich sind die Begegnungen eine großartige Bereicherung und ein Geschenk.

Die angedeutete Einfühlsamkeit bietet mir die bemerkenswerte Möglichkeit, mir in meiner eigenen Haltung zu begegnen und aus dieser heraus eine Ahnung davon zu gewinnen, was den anderen Personen für ihr eigenes – vor allem religiöses – Leben wichtig ist.

Es bewirkt also eine große Freude, möglichst jedes Jahr eine solche Auszeit zu nehmen, um ganz anders präsent sein zu dürfen, als es ansonsten in den eher objektivierten Dialogkreisen gewünscht ist.

In diesen Begegnungstagen bewirken die bewusst integrierten Meditationszeiten eine ganz besondere Atmosphäre, bieten diese doch eine Vertiefung der inneren Vorgänge, die wohl nur im Schweigen eine derartige Verdichtung erfahrbar werden lassen.

Ich möchte diese Tage einmal im Jahr auf keinen Fall missen!

Zusammenstellung von Christian Licht
auf Basis einer Vorlage, die von Dr. Werner Höbsch in Zusammenarbeit mit dem Arbeitskreis erstellt wurde.