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Interreligiöse & interkonfessionelle Erklärungen zum Krieg in der Ukraine

Ausschuss für den interreligiösen und interkonfessionellen Dialog (IRICDC), Konferenz der INGOs – Europarat

Der Angriff Russlands auf die Ukraine trifft die Menschen in Europa und auf der ganzen Welt. Viele rufen zu humanitären Aktionen, Demonstrationen oder starken Signalen auf, um dieses unerträgliche Leid sofort zu beenden.

Auf der Grundlage gemeinsamer menschlicher Werte und gestützt auf unsere Spiritualität haben wir Erklärungen aus den verschiedenen Religionen und Überzeugungen zusammengetragen, um uns daran zu erinnern, sie zu leben und in die Praxis umzusetzen. Was auch immer wir glauben, wir gehören alle der gleichen Menschheitsfamilie an.

Unser gemeinsamer Wunsch wird in der Erklärung von Religionen für den Frieden (RfP) deutlich: „Wir beten für die Bürgerinnen und Bürger der Ukraine und Russlands, die ohne eigenes Verschulden nun jahrzehntelang sowohl geistig als auch materiell leiden werden. Gewalt erzeugt Gewalt, und sie werden viel Unterstützung brauchen, um sich von der Angst, der Unsicherheit, der Bitterkeit und dem Trauma zu erholen, die unweigerlich auf einen gewaltsamen Konflikt folgen.“ Siehe mehr: https://www.rfp.org

 

Beitrag von Gabriela Frey & Trudy Frederiksson
Europäische Buddhistische Union (EBU)
Seine Heiligkeit Dalai Lama: Unsere Welt ist so abhängig geworden, dass ein gewaltsamer Konflikt zwischen zwei Ländern unweigerlich Auswirkungen auf den Rest der Welt hat. Krieg ist nicht mehr zeitgemäß – Gewaltlosigkeit ist der einzige Weg. Wir müssen ein Gefühl für das Einssein der Menschheit entwickeln, indem wir andere Menschen als Brüder und Schwestern betrachten. Auf diese Weise werden wir eine friedlichere Welt aufbauen.

Jetsunma Tenzin Palmo: Das Leiden der Menschen ist wirklich unvorstellbar! Aber aus dem Leiden erwächst auch Stärke. Ich hoffe, dass die Menschen sich auf ihre angeborene Güte verlassen, ich hoffe, dass die Menschen einander helfen können und in dieser sehr schwierigen Situation solidarisch miteinander sind… Dies ist die Zeit, um innere Stärke zu zeigen, nicht nur als Angehöriger einer Religion oder einer ethnischen Gruppe, sondern als Mensch, der seine Einheit zeigt.

Der buddhistische Meister Thich Nhat Hanh (kürzlich verstorben): Wir denken oft, dass Frieden die Abwesenheit von Krieg ist und dass wir Frieden haben könnten, wenn die mächtigen Länder ihre Waffenarsenale reduzieren würden. Aber wenn wir tief in die Waffen blicken, sehen wir unseren eigenen Geist – unsere eigenen Vorurteile, Ängste und Unwissenheit. Selbst wenn wir alle Bomben auf den Mond transportieren, sind die Wurzeln des Krieges und die Wurzeln der Bomben immer noch da, in unseren Herzen und Köpfen, und früher oder später werden wir neue Bomben bauen. Für den Frieden zu arbeiten, bedeutet, den Krieg aus uns selbst und aus den Herzen der Männer und Frauen auszurotten. Sich auf den Krieg vorzubereiten, Millionen von Männern und Frauen die Möglichkeit zu geben, das Töten Tag und Nacht in ihren Herzen zu üben, bedeutet, Millionen von Samen der Gewalt, der Wut, der Frustration und der Angst zu pflanzen, die über Generationen hinweg weitergegeben werden. (1997)

Schwester „Wahre Hingabe“: Die Aufrechterhaltung des Friedens in Europa ist keine Selbstverständlichkeit. Es ist nicht etwas, das aus Untätigkeit entsteht. Frieden ist ein aktiver Zustand, der Pflege, Engagement, Dialog, Verständnis und Offenheit erfordert.

Beitrag von Kari Flornes
Europäische Gruppe für die Erforschung und Ausbildung von Lehrern mit christlichen und anderen Überzeugungen (GERFEC)
Andrej Sacharow (1921-1989): „Das innere geistige Leben der Menschen, die inneren Impulse ihres Handelns, sind am schwersten vorherzusagen, und doch hängt gerade von ihnen in letzter Konsequenz der Untergang oder die Rettung der Zivilisation ab.“
Formelle und informelle Bildung sollten zusammenarbeiten, um eine Bildung, eine Pädagogik für den ganzen Menschen zu schaffen, kognitiv, emotional und spirituell. GERFEC als NRO arbeitet an der Entwicklung und ständigen Erneuerung dieser Pädagogik. Der Aufbau eines sicheren, demokratischen und inklusiven Ortes ist für diese Bildung notwendig.

Beitrag von Pierre Dussère
Enseignement Catholique International (OIEC)
Gott, unser Vater, Vater der Menschheitsfamilie, erbarme dich des ukrainischen Volkes und befreie es von dem Krieg, der ihm aufgezwungen wird. Gib ihnen ihre Autonomie innerhalb ihrer eigenen Grenzen zurück und die Macht, über ihre eigene Zukunft zu entscheiden. Herr, wir beten für den Angreifer, und wir bitten dich, sein Herz zu berühren, so dass die Kämpfe aufhören und er die Ukraine verlässt. Entferne auch aus dem Herzen eines jeden Menschen die Saat des Hasses, der Herrschaft, der Spaltung und des Geistes der Rache; lege in jeden einen Geist der Achtung, des Friedens, der Vergebung, des Wunsches nach Versöhnung und Brüderlichkeit. Halte die Flamme der Hoffnung in uns am Brennen, damit wir uns beharrlich für den Dialog und die Versöhnung entscheiden können.

Beitrag von Liliane Seidmann
International Council of Jewish Women (ICJW)
Tora: „Die Idee, dass Frieden aus dem Bewusstsein des Einzelnen kommt, betont den Ursprung der menschlichen Existenz, die Natur und das Bewusstsein des Menschen. Die Beendigung des Krieges setzt die Beherrschung der Triebe und Gründe voraus, die den Menschen zur Gewalt anstiften. Der Frieden wird das Ergebnis einer intellektuellen oder psychologischen Verbesserung der Menschheit sein.“
Ich wünsche mir, dass wir zu einer schnellen und vernünftigen Lösung kommen, um die Gräueltaten des Krieges zu beenden und den paranoiden Putin und seine unkontrollierbare Macht, durch so viele unschuldige Menschen getötet werden, zu stoppen.

Beitrag Anne Marie Schott
Ökumenisches Forum Europäischer Christinnen (EFECW)
Jean-Yves Leloup: „Es gibt kein größeres Unglück, als zu glauben, dass man einen Feind hat, und es ist schlimmer als ein Unglück, wenn man sieht, dass dieser Feind der eigene Bruder ist“

Der Krieg gefährdet ernsthaft unsere Menschlichkeit, unsere Brüderlichkeit, unser „gemeinsames Haus“. Als Christinnen, die sich der Komplexität der Situation bewusst sind, verlieren wir nicht die Hoffnung. Wir vertrauen auf die Größe Gottes. Wir glauben, dass die Verbindung und der respektvolle Umgang zwischen Menschen und Gemeinschaften über Grenzen hinweg eine menschlichere Erde und eine bessere Zukunft für alle garantiert. Getragen von unserem Glauben an das Leben, getragen von unserem Glauben an Jesus Christus, getragen von unserem Glauben an den Menschen, stehen wir in Solidarität zueinander, über unsere kulturellen, geographischen, nationalen, konfessionellen oder philosophischen Grenzen hinweg. Bewegt von ihrem Leid und ihrer Angst, unterstützen wir das ukrainische Volk mit unseren Gedanken, unseren Gebeten und unseren Taten der gegenseitigen Hilfe. Jeder Mensch, ob gläubig, nicht gläubig, agnostisch oder welcher Überzeugung er auch sein mag, kann ein Katalysator und ein Instrument des Friedens sein. Jeder Mensch kann seinen Teil dazu beitragen, eine gerechtere Welt zu schaffen und Brücken der Versöhnung zu bauen. „Der Friede wird dein Gesicht haben“. Das Leben ist stärker als der Tod; es ist diese Hoffnung, für die wir verantwortlich sind.

Papst Franziskus: „Herr, höre unser Gebet! Öffne unsere Augen und unsere Herzen, schenke uns den Mut, Frieden zu schaffen. Lass die Flamme der Hoffnung in uns brennen, damit wir mit Beharrlichkeit Entscheidungen für den Dialog und die Versöhnung treffen, damit der Friede schließlich siegt.“

Beitrag von Tsunma Jinpa
Nonne der Drikung Kagyü Tradition, Ratsmitglied der DBU
Heute hängen an vielen Orten in unserer Stadt tibetische Flaggen, um an die Invasion Tibets vor 70 Jahren zu erinnern. Jetzt ist die Invasion und der Krieg viel näher gerückt. Und wir sind schockiert, weil wir dachten, dass so etwas nicht mehr möglich sein kann – vor allem nicht hier in Europa. Wie falsch wir doch lagen.
In diesen erschütternden Zeiten glaube ich, dass es wichtiger denn je ist, starke Gemeinschaften und Freundschaften aufzubauen, um sich gegenseitig zu unterstützen. Das ist eine Antwort auf all das Leid – in Solidarität und Mitgefühl, in wahrer Freundschaft über Traditionen und Religionen hinweg zusammenzustehen – in unseren eigenen Ländern, aber auch in Europa und der ganzen Welt. Ich möchte einen Vers aus dem Sutra des Goldenen Lichts zitieren, der mich seit dem Einmarsch in der Ukraine begleitet:
„Möge nirgendwo auf der Welt der Klang von Klagen zu hören sein, möge kein einziges Wesen in Not gesehen werden, mögen sie alle von strahlender Erscheinung sein und mögen sie das Licht miteinander teilen.“ (Das Sutra des goldenen Lichts – Suvarnabhasottamasutra)
Mögen wir Zuflucht in Bodhicitta nehmen und nicht in den Konflikt hineingezogen werden. Und mögen wir weiterhin ein Licht füreinander sein und unser Licht in diesen Zeiten der Dunkelheit miteinander teilen.

Abschließende Bemerkung
Alle großen Religionen lehren uns Vergebung, Toleranz und Liebe. Warum bringen dann Menschen, die einer Religion folgen, Gewalt hervor und nehmen die eigentliche Botschaft ihres eigenen Glaubens nicht ernst?
Unser bestehendes Bildungssystem muss über die Bedeutung des inneren Friedens aufklären, unabhängig davon, ob man einer Religion angehört oder nicht. Eine der wichtigsten Aufgaben unserer Zeit ist es, tiefe menschliche Werte zu fördern. Dies geschieht nicht nur durch Gebete oder religiösen Glauben, sondern vor allem durch Bildung, Bewusstsein, wissenschaftliche Erkenntnisse und gesunden Menschenverstand.
Veränderung findet nur durch konstruktives Handeln statt. Auf welcher Ebene auch immer wir es betrachten, Frieden kann nur aus innerem Frieden entstehen. Es ist sinnlos, um Frieden zu beten, während man weiterhin seinem Ärger nachgeht. Die Schulung des Geistes und die Überwindung des Hasses sind wirksamer als Gebete. Wut, Hass und Eifersucht lösen keine Probleme; nur Zuneigung, Fürsorge und Respekt können dies bewirken.

Diese Zusammenstellung erfolgt im Namen aller Mitglieder des Ausschusses, auch wenn einige keinen eigenen Text beisteuern konnten.
https://www.coe.int/en/web/ingo/interreligious-and-interconvictional-dialogue

Nicht alle Teile der Zusammenstellung sind hier wiedergegeben.

(Übersetzung: Christian Licht)