Das Kloster Gar-Gon entstand vor mehr als 800 Jahren. Sein Gründer war eine Reinkarnation von Vajrapani, Gar-Gon Dampa Chödingpa, der erste Schüler von Kyobpa Jigten Sumgön, dem Gründer der Drikung Kagyü Linie. Er reinkarnierte sich weiterhin innerhalb der Drikung Kagyü Linie bis zur dritten Reinkarnation des Gar Dampa Shidingpa. Dieser inkarnierte seine drei Qualitäten des Körpers, der Sprache und des Geistes durch die drei Rinpoches: Migyur Rinpoche, Garchen Rinpoche und Namrol Rinpoche. Nachfolgend übertrugen die Reinkarnationen dieser drei Rinpoches im Kloster Gar-Gon seit Generationen die religiösen Ursprünge vom Meister auf den Schüler.
Der achte Namrol Rinpoche wurde 1972 in den über 4000 m hohen Schneebergen in Baisha im Land Nangchen (der chinesichen Provinz Chinghai) in Ost-Tibet geboren. Er kam an einem Glück verheißenden Tag in diese Welt, um die unzähligen fühlenden Wesen zum Glück zu führen. Er verließ mit fünf Jahren sein Zuhause, um in das Kloster einzutreten. Im Alter von 10 Jahren wurde er als Inkarnation der Sprache einer Inkarnation von Gar Dampa Shidingpa erkannt, der die Inkarnationen des gepriesenen und großen Schülers des Gründers der Drikung Kagyü Tradition war.
Namrol Rinpoche erhielt eine strenge und umfassende Ausbildung, um die Buddhaschaft zu verwirklichen und wurde in viele Lehren der Kagyü- und Nyingma-Tradition eingeweiht. Er beendete sein Studium des Phowa, meisterte die ‚Große Vollendung‘ (tib. Dzogchen), wurde in die verschiedenen Schulen eingeführt, lernte Rezitation und Gesang und las tausende Texte. Zur gleichen Zeit machte er sich mit den Vajra-Tänzen, Ritual-Musik, dem Erstellen von Tormas und dem Herrichten des Altars vertraut. Gegenwärtig ist er Abt des Gar-Klosters für buddhistische Studien und leitet das „Mahamudra Five Paths Buddhist Institution “ in Taiwan.
S.E. Namrol Rinpoche glaubt, dass es nur einen wahren Weg gibt, um sich selbst vor Leid zu schützen, nämlich viel [über den] Dharma zu lernen. In diesem Vorgang der Selbst-Entwicklung folgt er dem tantrischen Pfad des großen heiligen Milarepa, der sein großer und inspirierender Lehrer war. Im Alter zwischen achtzehn und zweiundzwanzig Jahren begab er sich auf die über 4000 m hohen Scheeberge in ein Gebiet, das nur von wilden Wölfen bewohnt ist, um dort Milarepa nachzueifern. Ursprünglich sollte ein Lama aus dem Kloster Namrol Rinpoche begleiten und für ihn sorgen, aber Namrol Rinpoche sagte zu ihm, er solle in das Kloster zurückkehren. Rinpoche war also ganz auf sich allein gestellt. Jeden Tag aß er etwas Reisbrei, den er für die ganze Woche kochte. Um seinen Körper und Geist zu zähmen schlief er drei Jahre lang nicht unter seiner Bettdecke. Am Abend las er beim Schein einer Kohlenlampe und nachts schlief er an eine Wand gelehnt.
Eines Tages sah er undeutlich im Schnee die zukünftige Gar-Gon Klosterschule mit dreitausend Lamas, die fleißig Sutras rezitierten. Seit diesem Tag verließ ihn diese Vision nicht mehr, wenn er Sutras las und praktizierte und er zeichnete das Kloster viele Male. Je mehr Schwierigkeiten er auf sich nahm, die kostbare Lehre Buddhas zu studieren, um so stärker wurde sein Wunsch, eine solche Universität in den Schneebergen Wirklichkeit werden zu lassen, damit all die Lamas, ebenso wie die Bewohner der Hochebene Tibets und Menschen aus allen Teilen der Welt eine gleiche fundierte Ausbildung wie er erhalten k önnten.
So entstand die Idee eines Instituts für buddhistische Studien im Kloster von Gar. Diese wurde mit der Zeit immer stärker und Rinpoche nahm innerlich ein Gelübde, dass er alles tun wird, um diese Vision zu verwirklichen, nachdem er seine Studien abgeschlossen haben würde. Er selbst nannte diese Vision ein „Projekt der Hoffnung“. Er wollte noch mehr wohlwollende Menschen suchen, die dieses Vorhaben unterstützen, so dass sie auf diese Weise zu ihrem eigenen Nutzen positive Anlagen entwickeln, die die eigene Armut durch die Übung des Gebens überwindet.
Nachdem Rinpoche seine Studien abgeschlossen hatte, traf er einen Lehrer, der ihm versicherte, dass seine Hoffungen sich in diesem Leben erfüllen würden. Auch die Dharma-Schützer würden ihm bei der Umsetzung dieser Idee helfen und auch die Förderer dieses Projektes unter ihren Schutz nehmen. Der Lehrer prophezeite weiterhin, dass er, um dieses Ziel zu erreichen, mit Menschen aus einem fernen Land zusammenarbeiten werde.
Dies wurde ebenso von dem Oberhaupt der Drikung-Linie vorausgesagt, der S.E. Namrol Rinpoche 1997 nach Taiwan entsandte, wo er 1998 das „Mahamudra Five Paths Buddhist Institution“ gründete und die Entwicklung der Drikung-Zentren in Taiwan stärkte. Im Jahre 2000 reiste Rinpoche nach Tibet, um mit dem Bau des Institutes zu beginnen. So wurde mit Hilfe von vielen F örderern damit begonnen, diese Vision in die Tat umzusetzen.
Neben dem Projekt der Hoffnung und seinen Aufgaben in den Drikung-Zentren in Taiwan reiste Rinpoche in den vergangenen Jahren in die USA, nach Canada und andere ferne Länder. Im Spätsommer 2002 kam er zum ersten Mal nach Europa, wo er auch einige Drikung-Zentren in Deutschland besuchte. Er beeindruckte durch seine starke Willenskraft, sein großes Mitgefühl und sein Interesse, die Entwicklung des Buddhismus in anderen Kulturen zu f ördern.
Zusammengestellt von Tendzin Chödrön (Elke Tobias) im März 2003{mosimage}
Aus Rundbrief 2/2003