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Botschaft von S.H. Drikung Kyabgön Chetsang zu Chökhor Düchen

Der 1. August 2022 war sowohl der Geburtstag von Seiner Heiligkeit als auch der Feiertag Chökhor Duchen. Zu Ehren dieses verheißungsvollen Anlasses verfasste S.H. diese Botschaft:

Durch den als „Asalha Poornima“ bekannten Feiertag, den wir auf Tibetisch „Chökhor Düchen“ oder „Das große Fest der Drehung des Rades des Dharma“ nennen, werden wir an das erste Drehen des Rades der Lehre durch Buddha Shakyamuni im Hirschpark in Sarnath erinnert. Da Buddha Shakyamuni an diesem Tag vor mehr als 2500 Jahren den Dharma der Vier Edlen Wahrheiten lehrte, haben wir nun die Möglichkeit, das Leiden zu beenden und Allwissenheit zum Wohle von uns selbst und anderer zu erlangen.

Die vier edlen Wahrheiten

Die erste Edle Wahrheit ist die Realität des Leidens (duhkha). Geburt, Altern, Krankheit und Tod sind offenkundige Formen des Leidens. Rückschläge, Enttäuschungen, Verluste, das Nichterreichen unserer Ziele – all dies sind ebenfalls Formen des Leidens. Wir müssen das Leiden als Leiden erkennen.

Durch sein jahrelanges Bemühen erreichte Prinz Siddhartha die Buddhaschaft – vor allem erkannte er die Ursache des Leidens (duhkha samudaya), nämlich die Selbstsucht. Solange wir von der Selbstsucht getrieben sind, werden wir Leiden erfahren. Aus der Selbstsucht entsteht eine Menge ungeschickter Handlungen (akushala karma), die zu unzähligen negativen Ergebnissen führen. All dies fällt unter die Ursachen des Leidens. Was diese Ursachen betrifft, so müssen wir sie vollständig aufgeben – die zweite Edle Wahrheit.

Diese ersten beiden Edlen Wahrheiten sind „Ursache und Wirkung“ der Fesseln von Samsara. Die nächsten beiden Edlen Wahrheiten sind „Ursache und Wirkung“ der Freiheit im Nirvana. Die dritte Edle Wahrheit ist also die Wahrheit der Beendigung (nirodha) des Leidens, die wir alle selbst erfahren müssen. Alle Verwirrung und alles Leiden entspringen unserem eigenen Geist, und wenn wir kein Leiden wollen, müssen wir die Ursache des Leidens aus unserem eigenen Geist entfernen. Die Methode zur Beseitigung der Ursache des Leidens ist die vierte Edle Wahrheit – der Pfad zur Beendigung des Leidens. Dieser Weg kann nicht von anderen für uns beschritten werden – weder von einem anderen samsarischen Wesen noch vom Buddha selbst. Wir müssen diesen Weg in unserem eigenen Herzen, in unserem eigenen Leben entwickeln. Nur dann können wir vom Leiden befreit werden.

Daher können die Vier Edlen Wahrheiten im Wesentlichen auch als das Prinzip von Ursache und Wirkung (karma-vipaksha) erklärt werden. Die ersten beiden Edlen Wahrheiten sind „Ursache und Wirkung“ des Leidens, während die letzten beiden Edlen Wahrheiten „Ursache und Wirkung“ der Freiheit vom Leiden sind.

Erinnert Euch daher an diesem Asadha Poornima oder Chökhor Düchen an die Essenz von Buddha Shakyamunis Lehren, nämlich die Vier Edlen Wahrheiten, die auch Ursache und Wirkung und nichts anderes als abhängiges Entstehen (pratitya-samutpada) sind.

Bedeutung in unserer Zeit

Besonders in der heutigen Zeit können wir die Auswirkungen von Ursache und Wirkung sehr schnell erkennen. Die Bedeutung der gegenseitigen Abhängigkeit nicht nur zwischen allen Menschen, sondern auch zwischen uns und allen Spezies und unserer Erde sollte uns allen im Zuge der globalen Pandemie Covid19 klar geworden sein. In der Vergangenheit, als wir noch nicht über so mächtige Werkzeuge und Technologien verfügten, dauerte es länger, bis Ursache und Wirkung der menschlichen Auswirkungen auf die Umwelt offensichtlich wurden. Daher hieß es oft, dass es ein Leben lang dauert, bis sich das Karma manifestiert. Doch heute können wir in nur wenigen Monaten oder Jahren mächtige Berge abtragen, die große Erde aufreißen, die Gletscher schmelzen und die Flüsse und Ozeane verschmutzen. Aber die daraus resultierende Zerstörung, die wir aufgrund unserer Unwissenheit, unserer Anhaftung und unserer Abneigung verursachen, erzeugt Leiden, das von jetzt an bis in viele zukünftige Generationen, bis in viele kommende Lebenszeiten andauern wird.

Deshalb müssen wir Buddhisten mehr denn je zum Wohle der ganzen Welt zusammenarbeiten. Zum Wohle aller müssen wir die Lehren des Buddha über Liebe und Mitgefühl in unserem täglichen Leben praktizieren und nicht nur in Klöstern oder in Gebeten und Ritualen. Schließlich können wir, indem wir uns auf die Weisheitslehren des Buddha verlassen, alle religiösen, ethnischen, kulturellen, nationalen, politischen und ideologischen Unterschiede überwinden, um mit allen Menschen der Welt für eine bessere Zukunft für alle kommenden Generationen und Lebenszeiten zusammenzuarbeiten.

Mögen wir mit der Führung der Drei Juwelen gesegnet sein!

Die Fotos stammen aus dem Jetvana und dem Großen Shravasti-Tempel, der von S.H. Drikung Kyabgön Chetsang erbaut wurde.