Nonnen Volleyball

Stärkung der buddhistischen Nonnen in Tibet und der Himalaya-Region

Wie war das Leben für eine Nonne in Tibet vor 1959? Ich interviewte einige ältere Nonnen aus Tibet, um dies genauer zu erfahren.

Das schwere Leben der Nonnen im alten Tibet

Das Leben der Nonnen in Tibet bestand daraus, ihre einfachen Zimmer zu säubern, ihre Mahlzeiten zuzubereiten, Niederwerfungen zu machen, Gebete auswendig zu lernen und zu beten.

Nyung Ne, ein Fasten- und Niederwerfungs-Retreat, das im 11. Jahrhundert durch Gelongma Palmo, eine indische Nonne aus Uddiyana, eingeführt wurde, war zudem eine beliebte Aktivität und wurde von vielen Nonnen in Verbindung mit der Praxis des Avalokiteshvara (tib. Chenresig), dem Bodhisattva des Mitgefühls durchgeführt. Der Retreat-Ablauf beinhaltet Fasten und täglich mehrere Einheiten aus Niederwerfungen und Rezitieren des Sechs-Silben-Mantras OM MANI PADME HUNG. Dies ist eine intensive spirituelle Praxis um Verdunklungen und Negativitäten zu reinigen und Verdienst anzusammeln. Teil der Praxis ist es, am ersten Tag nur eine vegetarische Mahlzeit und Wasser zu sich zu nehmen. Am zweiten Tag wird kein Essen oder Wasser eingenommen und so kann es in diesem Zwei-Tage-Rhythmus für eine ganze Zeit lang weitergehen.

Es gab für Nonnen keinen speziellen Dharma-Unterricht oder Tibetisch-Stunden. Sie hatten Glück, wenn eine schreibkundige Nonne ihnen Lese- und Schreibunterricht gab.

Gab es in einer Familie viele Töchter, wurden eine oder zwei in ein Nonnenkloster geschickt. So wurden viele Nonnen, als sie noch sehr jung waren, von ihren Eltern in ein Nonnenkloster gegeben, aber einige ältere traten auch auf eigenen Wunsch ein. Eltern jüngerer Nonnen boten ihre Töchter oder Pflegebefohlenen manchmal einer älteren Nonne als Schülerin an.

Hatte man eine körperliche oder geistige Behinderung, wurden einem die Haare geschoren, braune Gewänder und gelbe Blusen angezogen und man wurde als Nonne bezeichnet und zu Hause behalten.

Wenn Mädchen oder ältere Frauen in ein Nonnenkloster eintraten, mussten sie ihre eigene Unterkunft bauen oder bei einer anderen Nonne wohnen und sich ihre eigenen Lebensmittel für ihre täglichen Mahlzeiten besorgen. Sie bekamen keine Verpflegung vom Nonnenkloster außer Buttertee, der morgens beim gemeinsamen Gebet serviert wurde. An besonderen Feiertagen mochten Sponsoren Tee und Mahlzeiten als auch etwas Geld spenden.

Ärmere Nonnen verrichteten viel von der in der Gemeinschaftsküche anfallenden Arbeit, sahen nach den Schafen, Dsos (Kreuzung aus einem Yak und einer Kuh, bekannt für ihre ausgezeichnete Milch) und Kühen, die dem Kloster gehörten. Sie führten die Tiere in höher liegende Gebiete zum Grasen, brachten sie abends zurück und molken sie. Die Nonnen holten Wasser für die Gemeinschaftsküche, was in manchen Fällen eine sehr weite Strecke sein konnte. Sie sammelten Feuerholz oder trockneten Tierdung für die Küche und bekamen etwas Tsampa, Tee und vielleicht etwas Butter.

Viele Nonnen, die aus entlegenen Gegenden wie Changthang (Nomaden­region) und Kham kamen, hatten Schwierigkeiten, sich zu ernähren. Sie hatten Glück, wenn sie Verwandte in Lhasa hatten, die sie mit dem versorgten, was sie brauchten. Wenn nicht, gab es ein paar Nonnen aus Adels- und wohlhabenden Geschäftsfamilien im Nonnenkloster, und sie „hielten“ die ärmeren Nonnen, um zu putzen, zu waschen und zu kochen, während sie sie ernährten, ihnen Kleidung und auch etwas Taschengeld gaben. Sie waren wie deren Dienstmägde. Manche waren so freundlich, ihnen das Lesen und Schreiben beizubringen.

Normalerweise wurden die Nonnenklöster von Lamas und Mönchen verwaltet und eine Senior-Nonne wurde als Vertretung des Mönchs ausgewählt. Sie kümmerte sich um die alltäglichen Angelegenheiten im Kloster. Diese Nonne traf keine Entscheidung, ohne den Lama oder den zuständigen Mönch zu konsultieren. Von einer Nonne in Gari Gonpa in der Nähe von Lhasa erfuhr ich, dass eine Nonne, die für längere Zeit Urlaub nehmen wollte, dies bei dem Khenpo oder zuständigen Rinpoche beantragen musste. Nachdem der Antrag genehmigt und besiegelt war, wurde ein lokales Orakel, welches die Nonnen als sehr wichtig betrachteten, gebeten in Trance zu gehen, um den Urlaub zusätzlich zu bestätigen.

Die jüngeren Nonnen hatten Glück, wenn sie sich unter der Aufsicht einer älteren Nonne befanden, die ihnen Lesen und Schreiben beibrachte, wobei der Schwerpunkt auf dem Auswendiglernen von Gebeten, die sie bei den täglichen Gebetszusammenkünften rezitieren mussten, lag.

Gab es einmal eine öffentliche Belehrung in Lhasa oder in der Nähe, konnten sie dort hingehen und daran teilnehmen. Dies kam allerdings nicht so oft vor.

 

Das traditionelle Rollenbild und fehlende Unterstützung

Mangel an Bildung und finanzieller Unterstützung, niedriges Selbstbewusstsein und der Versuch, bescheiden zu sein, das Zögern der Nonnen, aus ihrem verschlossenen Selbst auszubrechen, waren die größten Hindernisse bei ihrer Weiterentwicklung und der Grund für den Mangel an Anerkennung in der Gesellschaft.

In Tibet und anderen Regionen des Himalaya war es für Mädchen üblich, still, gehorsam und unterwürfig zu sein. Demütig zu sein, war ein Ideal, das in die Köpfe der meisten Frauen und besonders der Nonnen gesetzt wurde.

Diese Eigenschaften waren in ihnen verwurzelt. Als ich jung war, war ich sehr redefreudig und schelmisch und meine Kinderfrau sagte: „Wenn du so frech und redselig bist, findest du keinen Mann.“ Das Rollenbild für Mädchen war, einen guten Ehemann zu finden.

In Ladakh und vielleicht auch in anderen Gegenden des Himalaya wurde eine Tochter zur Nonne gemacht, sie wurde zu Hause behalten, um alle körperliche Arbeit im Haus zu machen. Eine gebildete Nonne aus Ladakh sagte mir, dass Nonnen eigentlich Familiensklaven waren, bis sich die Dinge vor etwa zehn Jahren änderten. Eine andere Nonne, die als Pionierin als erste ein modernes Nonnenkloster in Leh, Ladakh eröffnete, begegnete großem Widerstand und Nicht-Kooperation seitens der Gemeinde. Die Nonnen erhalten in diesem Kloster aber eine gute Ausbildung und mittlerweile sind ein paar von ihnen traditionelle Ärztinnen und kümmern sich um die Kranken und Bedürftigen. Zudem helfen sie auch bei Familienproblemen.

 

Eine neue Aufgabe als Direktorin eines Nonnenklosters

Am 19. September 2004 wurde ich Direktorin des Drikung Kagyü Samtenling Nonnenklosters in Dehra Dun. Ich wurde von meinem Bruder, Seiner Heiligkeit Drikung Kyabgön Chetsang, gebeten nach den Nonnen zu schauen. Auch einige dort tätige junge Mönche und einige Nonnen aus dem Nonnenkloster baten mich zu kommen und die Leitung der Klosterverwaltung zu übernehmen. Ich übernahm die Aufgabe ohne ein Gehalt und auf freiwilliger Basis. Ein Mönch hatte die Leitung über das Nonnenkloster und sie dachten, eine Frau sei eine bessere Verwalterin. Meine erste Aufgabe dort war es, eine Regel zu erlassen, dass kein Mönch oder anderer Mann eine Nonne in ihrem Zimmer besuchen sollte. Sie konnten immer zu Besuch kommen, aber sie mussten sie im Gemeinschaftsraum treffen oder draußen im Garten.

 

Das Wissen und Selbstbewusstsein der Nonnen vergrößern

Bildung hatte Priorität. Eine moderne Ausbildung war für die Nonnen sehr wichtig und ich sorgte für etwas Sport und eine gesunde Ernährung. Am wichtigsten war es, dass die Nonnen ihr eigenes Kloster verwalteten.

Die Nonnen studierten Tibetisch und Dharma, aber sie brauchten mehr Allgemeinwissen und mussten Englisch und Hindi lesen, schreiben und sprechen lernen. Sie mussten auch einfaches Rechnen beherrschen. Eines Tages nahm ich einige der älteren Nonnen aus Tibet zum Krankenhaus mit und auf dem Weg wollten sie Obst kaufen. Sie konnten die Preise nicht addieren und ich musste ihnen helfen.Nonnen Volleyball

Auch wurden die Nonnen ermutigt, Debattier-Unterricht zu haben und anfangs dachten einige ältere Mönche, so etwas sollten Nonnen nicht tun und äußerten sich demotivierend, aber wir machten weiter und jetzt debattieren die Nonnen schon einige Jahre und machen sich gut.

Sie mussten lernen, sich ausdrücken und auf eine Frage zu antworten, anstatt ihre Köpfe gesenkt zu halten und kein Wort hervorzubringen. Als ich einige Nonnen nach ihren Namen fragte, senkten sie den Blick, kicherten und sagten ihre Namen so leise, dass man sie kaum hören konnte. Das war schrecklich. Ich sagte zu ihnen „Warum schaut ihr nicht hoch, mir ins Gesicht, und sagt mir eure Namen mit einer lauteren Stimme?“ Ich bekam keine Antwort.

Nachdem ich mich an die Arbeit gewöhnt hatte, bat ich die Nonnen, eine Senior-Nonne zu wählen, die stellvertretende Direktorin werden sollte. Es wurden für die Nonnen Workshops zum Thema Selbstwertsteigerung und öffentliches Sprechen organisiert. Wir luden auch Nonnen aus anderen Klöstern verschiedener buddhistischer Schulen ein und alle Ehrengäste waren Nonnen. Unser erster Gast war S.E. Khandro Rinpoche vom Kloster Mindroling.

Es kamen Jetsun Tenzin Palmo vom Drukpa Kagyü Dongyu Gatsel Nonnenkloster, Tsünma Losang Dechen vom Dölmaling Nonnenkloster und eine chinesische Nonne, eine Professorin aus Taiwan. Für unsere Nonnen war es wichtig zu sehen, dass Nonnen Führungspersonen werden können.

 

Eine Mutprobe für die Nonnen

Bei wichtigen Feierlichkeiten war es Brauch, dass die Oberhäupter der einzelnen Abteilungen des Drikung Kagyü Instituts (DKI) kamen und Seiner Heiligkeit die Mandala-Gabe darbrachten. Während einer Belehrung sagte ich der stellvertretenden Direktorin Tsünma Yeshi Dölma, dass nun sie an meiner Stelle das Mandala im Namen der Nonnen darbringen solle.

Der große Tag kam, die große Halle war zum Bersten voll, die Leiter der Einrichtungen des DKI gingen langsam auf den Thron von Seiner Heiligkeit zu und Yeshi-la erhob sich nicht. Die Leute schauten mich an. Ich stand auf, ging zu Yeshi-la hinüber und sagte ihr, sie solle bitte hinaufgehen, um das Mandala darzubieten. Sie lehnte ab. Ich sagte ihr, dass ich auf keinen Fall hochgehen würde. Ihre Augen füllten sich mit Tränen und sie rührte sich nicht. Ich bat die Disziplinarin, die neben ihr saß, hinaufzugehen und auch sie weigerte sich. Tsünma Kunchok Palmo, eine Absolventin mit Magisterabschluss war in der Nähe und auch sie weigerte sich zu gehen. Ich ging zu meinem Platz zurück, blieb dort sitzen und langsam stand Yeshi-la auf, machte Niederwerfungen und schloss sich der kleinen Gruppe für die Mandala-Gabe an. Als die Zeremonie vorbei war, ging ich auf sie zu und fragte: „War es schwierig?“ Sie strahlte und sagte: „Nein.“ und begann zu kichern. Seitdem bringt bei allen Zeremonien die Direktorin der Nonnen die Mandala-Gabe dar.

Auch saßen Nonnen bei Belehrungen im hinteren Teil der Halle. Ich bat Seine Heiligkeit Drikung Kyabgön Chetsang, unser Linien-Oberhaupt, die Nonnen auf der einen Seite sitzen zu lassen und die Mönche auf der anderen. Wir hatten ältere Nonnen, die in den Belehrungen bewandert waren, und warum sollten sie hinter ein paar jungen Mönchen sitzen, die gerade ins Kloster eingetreten waren? Er gab die Anweisung, die Nonnen auf einer Seite der Gebetshalle im Tempel sitzen zu lassen. Anfangs kamen die Nonnen nicht nach vorne und setzten sich weiterhin nach hinten. Ich musste ihnen sagen, dass sie nun vorkommen mussten. Als die Nonnen nicht nach vorne kamen, kam der Direktor des Mönchklosters, Kusho Choenyi-la zu mir und sagte: „Wir haben die Sitzplätze für die Nonnen gemacht, so dass sie nicht hinten sitzen müssen, aber sie weigern sich, nach vorne zu kommen!“ Mittlerweile sitzen sie jedoch vorne.

Wir ermutigten die Nonnen, auch an Workshops und Konferenzen teilzunehmen, die anderswo von anderen Nonnenklöstern oder der Tibetan Women’s Association organisiert wurden. Wir fördern auch, dass Lehrer und Besucher aus dem Ausland kommen. Es ist so wichtig, Menschen von außerhalb der eigenen Region zu treffen und mit ihnen zu verkehren, um sich zu öffnen und von der Welt draußen zu lernen. Das hilft ihnen auch, ihr Englisch zu verbessern.

 

Die Nonnen übernehmen mehr Verantwortung

Nach zwei Jahren verließ ich den Posten als Direktorin und eine Nonne wurde dafür gewählt. Ich stand den Nonnen weiterhin als Beraterin zur Seite. Yeshe Dölma-la, die erste stellvertretende Direktorin, verpasste ein Jahr Unterricht. Danach wurde entschieden, dass die für den Direktorinnenposten gewählten Nonnen diese Aufgabe nur für die Dauer eines Jahres übernehmen, denn sie waren alle noch Studierende.

Ich für meinen Teil, anstatt sie einmal wöchentlich zu besuchen, wie ich es zu Beginn meiner Arbeit getan hatte, ging einmal in zwei oder drei Wochen zum Kloster. Im Büro ist eine ausgebildete Buchhalterin und Sekretärin und die Nonnen machen sich sehr gut darin, ihr Kloster nun selbst am Laufen zu halten. Es gibt immer noch etwas Unsicherheit, wenn es darum geht, Direktorin zu werden.

Wir haben nun 74 Nonnen. Wir haben einen Computerkurs, einen Kunstkurs und jeden Sonntag Unterricht in den Ritualen. In Eigeninitiative haben die Nonnen auch eine Veröffentlichungsabteilung gegründet. Sie haben einen Gemüsegarten angelegt und an Reinigungsaktionen in den umliegenden Dörfern teilgenommen.

Zehn Nonnen wünschten sich, im Sommer an Computer- und Englischkursen in Dharamsala teilzunehmen anstatt nach Hause zu fahren oder ihre Sommerferien anderswo zu verbringen. Das ist ein gutes Zeichen, dass sie sich gerne entwickeln möchten.

Es freut mich sehr, die Nonnen reifer werden zu sehen, wie sie aus ihrer Schüchternheit herauswachsen und Zuversicht und Vertrauen in sich selbst gewinnen.

 

Die ersten Nonnen machen einen Studienabschluss

Im letzten Jahr schlossen zwei Nonnen ihr Studium am Kagyü College ab und erhielten ihren Acharya-Abschluss. Sie entschlossen sich zu weiteren Studien in einem Programm am Sera College in Südindien. Jetzt sind sie nach Kham zurückgekehrt, um dort in einem Drikung-Nonnenkloster zu unterrichten.Nonnen Urkunde

Fünf Nonnen haben in diesem Jahr ihren Abschluss gemacht. Eine Nonne wünscht sich, das drei Jahre, drei Monate und drei Tage dauernde Retreat zu beginnen. Es wird das erste Mal sein, dass eine Nonne mit einem Acharya-Abschluss in unserem Retreat-Zentrum dabei ist. Eine weitere Nonne, Yeshi Dolma, wird Khenmo Drolma im ersten Drikung-Nonnenkloster in den USA assistieren. Von den drei anderen wurde Tsünma Kunchok Tsekyi auserwählt, die erste Direktorin für eine Dauer von zwei Jahren zu werden, was auf drei Jahre ausgedehnt wird, wenn die nächste Wahl für diesen Posten stattfindet. Die anderen Nonnen werden im Kloster unterrichten.

Mein Wunsch, die Nonnen ihr eigenes Kloster verwalten zu sehen, ist nun Realität geworden. Dank unseres Linien-Oberhaupts, S.H. Drikung Kyabgön Chetsang, unserer Lehrer, der Belegschaft im Nonnenkloster und aller, die uns unterstützt haben, war dieser große Schritt möglich. Ohne die Führung S.H., des Dalai Lama, der sich für Gleichberechtigung der Geschlechter ausspricht und besonders auf die Bildung der buddhistischen Nonnen bedacht ist, bezweifele ich, dass wir so weit gekommen wären. Die Nonnen haben sich auch sehr stark gegenseitig unterstützt.

Im August 2016 nehme ich Abschied als Betreuerin des Drikung Kagyü Nonnenklosters. Einige Senior-Nonnen wurden gewählt, ein Beraterinnen-Gremium zu bilden. Ich wünschen den Nonnen alles Gute und ich bin sicher, dass sie gute Arbeit leisten werden.

Namgyal L. Taklha (21. August 2016)
Übersetzung von Monique Nußbaum