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Zukunftsorientierte Ansprache von S.H. Drikung Kyabgön Chetsang zu Vesak

Auf Einladung der vietnamesischen Drikung-Sangha hat S. H. Drikung Kyabgön Chetsang am höchsten buddhistischen Feiertag eine zukunftsorientierte Ansprache (sinngemäße deutsche Übersetzung s.u.) gehalten, die mündliche Übertragung der Bodhisattva-Gelübde gegeben und eine kurze Mani-Praxis angeleitet. Die Video-Aufzeichung ist auf YouTube zu sehen.

Der zeitliche Ablauf der Aufzeichnung ist wie folgt:

  • 02:00  Ansprache von S.H. zur globalen Entwicklung des Buddhismus und Änderungen im traditionellen System
  • 25:00  Mündliche Übertragung der großen Zeremonie der Bodhisattva Gelübde nach Kyobpa Jigten Sumgön (Unterbrechung von 38:30 – 41:00)
  • 1:23:10  Kurze Mani-Praxis und Widmung
  • 1:32:30  Ende der Praxis

Übersetzung der Ansprache

Guten Abend und guten Morgen hochgeschätzte Dharma-Gemeinschaft, liebe Freunde und Dharma-Freunde!

Ich bin sehr glücklich, an diesem internationalen Vesakh-Tag, der in der tibetischen Gemeinschaft als Saga Dawa Düchen begangen wird, zu allen sprechen zu können. Dies ist der 15. Tag und damit Vollmond im tibetischen Monatskalender. Es ist der Geburtstag des Buddha und zugleich der Tag seiner Erleuchtung. Wir dürfen glücklich sein, dass wir alle noch am Leben sind und zusammen diesen Geburtstag feiern können. Ich bin sehr zufrieden und möchte die Gelegenheit nutzen, der vietnamesischen Gemeinschaft zu danken, die diese Online-Verbindung ermöglicht hat.

Es ist wunderbar und eine gute Entwicklung, dass der internationale Buddhismus immer enger zusammenfindet. Zuletzt sind die buddhistischen Gemeinschaften in Taiwan mit Repräsentanten der vier buddhistischen Schulen zusammengekommen. Dort finden diese Treffen regelmäßig statt und die Buddhisten dort meinen, dass es nur einen einzigen Termin für den Geburtstag des Buddha geben sollte. Bisher liegen die Feiertage in den verschiedenen Ländern und Schulen an unterschiedlichen Terminen. Doch jetzt hat man den ersten Vollmond im Mai als Termin für Vesak bzw. den Feiertag der Geburt des Buddha international festgelegt. Dieses Datum wurde auch von den Vereinten Nationen für diesen buddhistischer Feiertag übernommen.

Auch innerhalb Tibets gab es früher viele verschiedene ‚Buddha-Tage‘. Die Menschen respektierten hauptsächlich ihren eigenen Lehrer und folgten seinen Angaben. So existieren auch viele verschiedene Jahresangaben bzgl. der Lebensdaten des Buddha. Zu meiner Zeit entstand z.B. ein Geschichtsbuch, in dem angegeben war, dass der Buddha vor 4000 Jahren geboren wurde. So unterscheiden sich die Angaben manchmal mehr als 1000 Jahre. Auch hinsichtlich der Monate April oder Mai gab es verschiedene Daten. Wie auch immer, ab jetzt soll dieser Feiertag am ersten Vollmond im Mai sein.

Wie wir alle wissen, besitzen die Religionen des mittleren Ostens und des Westens eigene religiöse Oberhäupter wie z.B. das Christentum. Auch global kennt man gemeinsame religiöse Tage wie den Sonntag bei den Christen oder den Freitag bei den Muslimen. Asien ist multikulturell und so gibt es viele verschiedene religiöse Ausrichtungen, nicht nur Christen oder Muslime. Die Leute schätzen und folgen oft einem bestimmten Lehrer und daher bilden sich viele kleine Gemeinschaften. So entsteht keine Einheit. Daher sind diese Gemeinschaften oft nicht sehr effektiv. Auch bei der Entwicklung des Buddhismus kommt es so zu Hindernissen.

Ich habe erfahren, dass eine Firma in den USA eine Studie erstellt hat, in der auch die zukünftige Entwicklung der Religionen abgeschätzt wurde. Danach ist die am schnellsten wachsende Religion der Islam, während der Buddhismus rückläufig ist. Daher müssen alle buddhistischen Gemeinschaften aufwachen, um unsere Religion zu bewahren und in guter Weise weiterzuentwickeln. Das ist sehr wichtig in dieser modernen Welt.

Damit sich der Buddhismus gut entwickeln kann, müssen wir das traditionelle System etwas verändern. Wir fokussieren uns bzgl. des Studiums und der Praxis hauptsächlich auf die Ordinierten in den Klöstern. Hier zeichnet sich jetzt schon eine Veränderung ab. In den über die ganze Welt verteilten Zentren sind hauptsächlich Laien aktiv und diese müssen wir fördern. So sollte der Buddhismus nicht nur in den Klöstern praktiziert werden, sondern weltweit im täglichen Leben.

In Vietnam ist die Lage etwas anders. Ich habe bei meinem letzten Aufenthalt eine Universität besucht, an der hunderte oder sogar tausende junger Nonnen und Mönche studieren und sich weiterentwickeln. Das ist wunderbar.

Die Tibeter in Indien haben z.B. oft nur noch zwei Kinder und so gibt es viel weniger Nachwuchs für die Klöster. Wir müssen an die Zukunft denken, in der es auf jeden Fall weniger Ordinierte geben wird. Daher müssen wir etwas verändern.

Ich habe dem Kloster Jangchubling in Dehra Dun empfohlen, für junge Männer die Möglichkeit zu schaffen, die Mönchsgelübde für eine kurze, befristete Zeit nehmen zu können, wie dies in Thailand oder anderen Traditionen der Fall ist. So kann man z.B. für einige Wochen, einen Monat oder ein Jahr die Gelübde nehmen und im Kloster leben. In dieser Zeit muss man die Gelübde strikt einhalten und danach kann man sie wieder zurückgeben. Auf diese Weise kann eine Gemeinschaft von befristeten Ordinierten im Kloster geschaffen werden.

Weiterhin sollten wir nicht nur eine buddhistische Ausbildung für Ordinierte anbieten, sondern auch für Laien, d.h. begabte junge Männer und Frauen, so dass weltweit buddhistische Lehrer*innen ausgebildet werden können.

Des Weiteren – und daran arbeite ich gerade – benötigen wir einen international verfügbaren buddhistischen Text, den man ‚einfach mitnehmen‘ kann. Wir haben hunderte von Bänden des Tripitaka in den Altären. Diese Texte sind aber nicht einfach (zu lesen und) zu praktizieren. Der geeignetste gemeinsame Text ist die Dhammapada. Es ist eine kurze Zusammenstellung von Lehren des Buddha, die er an verschiedenen Orten gegeben hat und die sich direkt auf Alltagsprobleme beziehen. Diese Aussagen sind weltweit auch für Angehörige anderer Religionen interessant.

Die Dhammapada wurde schon in 30-40 Sprachen übersetzt und ich habe diese Übersetzungen gesammelt. Vor kurzem habe ich ein Buch zusammengestellt, in dem Übersetzungen in 15 Sprachen enthalten ist. Das Buch ist schon in der Herstellung. Es kann z.B. später in Hotelzimmern ausgelegt oder zum Studium verwendet werden. Ich habe auf einer internationalen Konferenz vorgeschlagen, dass wir die Dhammapada als ein internationales Dharma-Buch einführen sollten, so wie die Bibel. Das ist eine meiner Ideen und ich entwickle sie weiter.

Es gibt auch noch andere Pläne, aber diese wollte ich heute an Buddhas Geburtstag mitteilen.

Sinngemäße Übersetzung von Christian Licht
unter Mitarbeit von Dorothee Söndgen und Rolf Blume