Besuch im Kloster Rinchen Palri

Eindrücke aus einer Woche im Kloster im Frühjahr 2025 oberhalb von Kathmandu

Es ist ruhig, beinahe still, warm, ein lauer Frühlingsnachmittag. Ich gehe in den Speise-saal, in dem eben noch lautes Stimmengewirr und Tellerklappern zu hören war. Mal schauen, ob der „Milk Tea“ schon fertig ist, den es am Nachmittag gibt, zur besten Kaffeezeit. Schaue mich um und bemerke erst jetzt die Gruppe von Mönchen, die hier offensichtlich Unterricht in der Herstellung von Tormas hat. Sie hatten mich natürlich schon beim Eintreten gesehen.

In meiner Schule war im Werkunterricht, wenn wir mit Ton oder Holz gearbeitet haben, immer Geplapper zu hören. Hier ist es leise. Hier in Rinchen Palri sitzen etwa 30 junge Mönche an Tischen, vor sich fertige, halbfertige unterschiedlich geformte Tormas. Einer der Älteren hat die Aufsicht und geht mit strengem Blick durch die Reihen. Volle Konzentration, ruhig. Nicht schlecht, denke ich, auf diese Weise zu lernen.

Ich bin in Rinchen Palri, im Kloster von meinem Lehrer, dem Ehrwürdigen Drubpön Sonam Jorphel Rinpoche. Dort gibt es auch einfache Gästezimmer und in einem abgelegenen Teil kann man Retreats durchführen.

Früh schlägt der Gong, denn um 6:00 beginnt die Lama Chöpa Puja in der großen Gompa, oben auf dem Berg. Mit voller Kraft hauen die Kleinen auf die große Trommel im passenden Rhythmus mit den Becken.

Die Jüngsten sind gerade mal sechs oder sieben Jahre alt. Etliche stammen aus Nepal, denn in Ladakh wird jetzt Familienplanung betrieben, so wird es mir erklärt. Was ist damit gemeint? Noch bis vor kurzem wurde fast aus jeder Familie ein Kind ins Kloster geschickt, aber heute haben die Paare meist nur noch zwei Kinder. In Nepal ist das noch anders. Die Eltern dort bringen ihre Kinder der guten Ausbildung wegen gern ins Kloster. Längst nicht alle werden später ordiniert. Dann aber haben sie Lesen, Schreiben, Rituale, Tormas, Dharma-Texte und vieles mehr gelernt.

Gegen 7:30 gibt es Frühstück, jeder bringt sein Geschirr mit. Es gibt Tsampa, ein sehr nahrhaftes und bekömmliches Essen. Geröstete Gerste wird fein vermahlen und mit heißem Buttertee zu einem Teig verknetet. Dazu manchmal Chapati, dünnes Fladenbrot und Gemüse.

Dann beginnt der Unterricht, alle verschwinden in ihren Klassen, es wird ruhig und ich höre nur noch manchmal die piepsigen Kinderstimmen im Chor Texte rezitieren.

Mittagessen gibt es pünktlich um 12:00. Dal, Gemüse, Reis, Chapati, manchmal Obst. Alles wird vor Ort frisch zubereitet, auch in der Küche helfen ein paar Mönche. So lernen sie beinahe nebenbei das Kochen. Einige hauen sich teelöffelweise Hot Chili dazu, nicht wenige essen mit der Hand. Jeder wäscht seinen Teller selbst ab. Sogar die Kleinen sind schon sehr selbstständig, wenngleich immer Ältere ein Auge auf sie haben. Natürlich kabbeln sich mal zwei oder albern ausgelassen herum.

Ich bin beeindruckt von den Lebens- und Lernbedingungen hier, es ist so angenehm, so positiv. Abseits von Stress, Nachrichten, TikTok, Fernsehen und all dem, was nicht weit entfernt in der Millionenstadt Kathmandu und überall sonst auf der Welt auf Kinder einstürmt.

Um 17:00 ist im Achi-Tempel oben auf dem Berg die tägliche Dharma­schützerpraxis. Zu Festtagen können schon mal stundenlange Pujas auf dem Plan stehen, wenngleich nicht unbedingt für die Kleinen und ihre Betreuer.

Ich lasse mich fallen in den gleichmäßigen Ablauf. Es gibt nichts zu tun. Auch nicht viel zu sehen. Nichts zu denken. Die Erfahrung von äußerer Ruhe, die nach innen dringt, ich atme sie ein. Ich fühle mich wohl.

Elisabeth Kolb