Eigentlich war es nicht die richtige Zeit, um nach Indien zu reisen. Sogar die deutschen Nachrichten hatten von den heftigen Regenfällen in Nordindien berichtet, bei denen es in den Ausläufern des Himalaya viele Erdrutsche gegeben hatte und hunderte Menschen umgekommen sind. Zudem sind die Temperaturen in Delhi alles andere als angenehm bei einer Luftfeuchtigkeit von nahezu 100 Prozent.
Es war aber kein anderer Zeitraum zu finden, an dem Ingrid, ihr Sohn James und ich zusammen auf die Reise gehen konnten und so musste es die zweite Julihälfte sein. Delhi zeigte sich einigermaßen gnädig was die Temperaturen und den Regen betrifft und so konnten wir den einen Tag dort gut aushalten.
Morgens um 4.30 Uhr ging es dann mit dem Taxi in einer gut 12 stündigen Fahrt nach Pithoragarh. Wir hatten uns im Vorfeld schon überlegt, dass wir uns diesen „Luxus“ gönnen, da die Busfahrten, die wir schon des öfteren genossen hatten, einen im Allgemeinen erst einmal für ein bis zwei Tage außer Gefecht setzen. Da unsere Zeit in Indien aber knapp bemessen war, haben wir die Entscheidung auch im Nachhinein als richtige gesehen.
Aus dem heißen und schwülen Delhi kamen wir am frühen Morgen ohne Verzögerung durch Staus und mit funktionierender Klimaanlage gut heraus. An der Grenze zum Bundesstaat Uttarakhand, in dem Pithoragarh liegt, wartete der Monsun auf uns und es goss für einige Zeit wie aus Eimern. Hier begann dann die Fahrt in die Berge und je höher wir kamen, desto besser wurde das Wetter. Zum Glück konnten wir den Fahrer nach relativ kurzer Zeit dazu bringen, die Serpentinen langsam zu fahren, was sich sehr positiv auf unser Magengefühl auswirkte. Pithoragarh empfing uns mit strahlendem Sonnenschein und auch bei der Ankunft in Drikung Dekyid Chamspa Ling konnten wir in die strahlenden Gesichter von Drubpön Champa und Ani Kunzang sehen.
Die ersten Tage standen unter dem Motto Ankommen, Gucken, Austauschen. Drubpön Champa und Ani Kunzang sind derzeit die einzigen, die an dem Platz wohnen und haben bestimmt Routinen entwickelt, wie sie den Tag verbringen. Dies hat sicher einige Vorteile, aber fördert auf den anderen Seite nicht die Kreativität und Aktivität. Gerade für Drubpön Champa wäre dies jedoch sehr wichtig, um seine Fähigkeiten im Verstehen und Sprechen auszubauen, die seit dem Schlaganfall vor 5 Jahren sehr eingeschränkt sind.
Dies war ein wichtiger Grund, der uns veranlasst hatte, nach Pithoragarh zu fahren. Zudem ist es schade, dass dieser Ort nicht für intensivere Dharma-Aktivitäten genutzt wird, was auch Drubpön Champa bedrückt. So haben wir nach den ersten Tagen mit Drubpön Champa und Ani Kunzang gesprochen, wie die Zukunft von Drikung Dekyid Chamspa Ling aussehen könnte.
Drubpön Champa ist von der Idee, ein kleines Nonnenkloster zu etablieren sehr angetan. Vier junge Nonnen sind im Laufe der Jahre aus Ladakh nach Pithoragarh gekommen und haben die ersten Schritte ihrer „Dharma-Laufbahn“ unter der Leitung von Drubpön Champa gemacht. Ani Kunzang ist noch vor Ort, Ani Sönam studiert derzeit in Ladakh, Ani Pema studiert in Varanasi und Ani Tenzin erhält eine Ausbildung im Nonnenkloster Samtenling in Dehra Dun. Sie sind eng mit Chamspa Ling verbunden und würden auch später als Dharma-Lehrerinnen für die jungen Nonnen zur Verfügung stehen.
Drubpön Champa ist bewusst, dass ein solches Nonnenkloster langfristig auf stabilen Füßen stehen muss. So war es auch sein Wunsch, dass das Land und die Gebäude von Drikung Dekyid Chamspa Ling unter das Dach des Drikung Kagyü Institutes in Dehra Dun kommen sollen und somit direkt dem Oberhaupt der Linie, S.H. Drikung Kyabgön Chetsang unterstehen.
In den folgenden Tagen war es unsere Aufgabe, diese Überschreibung zu organisieren, was nicht einfach ist. Jeder, der schon mal mit indischen Behörden zu tun hatte, weiß, dass sie das britische System perfektioniert haben. Es müssen allerdings gute Kräfte mit am Werk gewesen sein, so dass wir quasi eine Punktlandung hinbekommen haben. In letzter Minute vor der Abreise waren alle Dokumente und notwendigen Personen vor Ort, um diesen Prozess abzuschließen. Damit hatten wir ehrlich gesagt am Anfang nicht gerechnet.
Nun sind die Voraussetzungen geschaffen, langsam ein Nonnenkloster in Pithoragarh aufzubauen. Es wird sicher noch 2-3 Jahre brauchen, bis alles zusammen ist, aber wir sind guten Mutes, dass sich dies mit der Zeit entwickelt.
Einige Mitglieder des Aachener Zentrums haben sich in den vergangenen Jahren durch eine finanzielle Unterstützung für den Erhalt des Ortes und den Lebensunterhalt von Drubpön Champa und Ani Kunzang eingesetzt. Dafür möchten wir Ihnen ganz herzlich Dank sagen. Wir hoffen, dass sich in Zukunft weitere Sponsoren und Paten finden werden, die den Aufbau und Erhalt des neuen Nonnenklosters unterstützen. Drikung Dekyid Chamspa Ling ist jetzt unter dem Dach des Drikung Kagyü Institutes. Alle Spenden sind steuerabzugsfähig und werden über das Drikung Kagyü Institut weitergeleitet.
Christian Licht