Drubpom Sonam Jorphel Rinpoche

Ein Meilenstein im Land der Steine

Einweihung des ersten Drikung-Nonnenklosters in Ladakh

Bodhkarbhu im Juli 2008. Angmo ist 15 Jahre alt. Ihr größter Traum ist, eine so gute Ausbildung zu erhalten, dass sie für ihr Heimatdorf Bodhkarbhu etwas erreichen kann. Doch Ausbildung war und ist für Frauen in Ladakh keine Selbstverständlichkeit.

Drubpom Sonam Jorphel RinpocheSchon Anfang der 90er Jahre wollte Drubpon Sonam Jorphel Rinpoche das ändern. Mit dem am 18. Juli 2008 eröffneten Nonnenkloster Shadpa Dorje Ling hat Rinpoche für die Frauen der Drikung-Kagyud-Linie einen Meilenstein gesetzt. Der Gedanke, ein Nonnenkloster zu gründen, wurde immer konkreter, nachdem mehr und mehr junge Mädchen in der Dharma Raja Foundation, dem Hauptsitz von Sonam Jorphel Rinpoche in Kathmandu, eintrafen, um dort eine qualifizierte spirituelle Ausbildung zu bekommen.

Manche suchten im wahrsten Sinne des Wortes Zuflucht bei Rinpoche. Das Leben in Ladakh war für viele junge Frauen hart. Da es bis vor kurzem kein Nonnenkloster für sie gab, mussten sie sowohl ihren Familien als auch dem nächstgelegenen Mönchskloster dienen. Eine spirituelle Ausbildung konnten sich die Nonnen nicht erhoffen. Kein Wunder, dass ab 2001 immer mehr Nonnen nach Kathmandu kamen – größtenteils aus Ladakh, aber auch aus Tibet und Nepal. Die jüngste von ihnen wurde mit gerade einmal vier Jahren von ihren Eltern gebracht. Schnell stieg die Zahl der Nonnen von 20 auf 47. Der Wunsch, den traditionell unterprivilegierten Frauen eine Möglichkeit zu geben Dharma zu studieren, wuchs in Rinpoche.

Junge Mönche bei der EinweihungsfeierDoch nicht nur die jungen Mädchen mit spiritueller Ausrichtung trafen in Kathmandu ein, sondern auch immer mehr junge Mönche. Sie kamen entweder aus freien Stücken oder wurden von ihren Eltern dorthin gebracht – mit dem sehnlichen Wunsch, dass ihr Nachwuchs dort eine fundierte Dharma-Ausbildung erhalten möge.

Das führte mit der Zeit zwangsläufig zu Problemen – sowohl räumlicher als auch zwischenmenschlicher Natur. Einerseits erkannten die jungen Frauen gerade im Zusammenleben mit den Mönchen, dass sie diesen im Lernen zumindest ebenbürtig sind und entwickelten dadurch ein gesundes Selbstvertrauen. Andererseits wuchs die Sorge, dass die Nähe von so vielen jungen Mönchen und Nonnen nicht nur das spirituelle Interesse anregen könnte.

Leiterinnen des Ama DsongspaFast zeitgleich entwickelte Sonam Jorphel Rinpoche Pläne für ein Mönchskloster in der Nähe Kathmandus und für ein Nonnenkloster in seinem Heimatdorf Bodhkarbhu in Ladakh. Glücklicherweise traf er mit seinem Plan für ein Nonnenkloster auf große Begeisterung unter den etwa 1000 Dorfbewohnern Bodhkarbhus. So stiftete nicht nur ein Bauer ein Grundstück gegenüber des 2005 fertig gestellten und von Seiner Heiligkeit Dalai Lama eingeweihten Potang-Tempels, auch die Frauen des Dorfes waren äußerst angetan von den Plänen Rinpoches. Organisiert als eine Art Frauenhilfe (Ama Dsogspa) halfen sie beim Bau des neuen Klosters unentgeltlich und mit unermüdlicher Hingabe.

SmenlaDie Ama Dsogspa hatte sich Mitte der 80er Jahre auf Betreiben Rinpoches gegründet. „Damals waren die Leute in Bodhkarbhu sehr arm“, sagt Tsering Smenla, Sekretär der Drikung Kagyud Tangesling Association in Bodhkarbhu. Der 62-jährige erinnert sich noch gut an die Zeit, als ein Mädchen pro Familie Nonne werden musste, damit sie in der Familie bleiben und ihr dienen konnte – während die andern Töchter heiraten und das Haus verlassen mussten. Fand sich kein geeigneter Ehemann, war die jeweilige Tochter nicht hübsch genug oder litt an einer Behinderung, blieb ihr nur ein Weg: Die Robe anziehen und harte Fronarbeit leisten. „Rinpoche war der erste, der sich darüber Gedanken machte, wie diesen Frauen geholfen werden kann“, sagt Smenla. Wohl auch deshalb gründete er die Ama Dsogspa, die sich seither um Ausbildung, Hygieneerziehung, Verschönerung des Dorfes und vieles mehr kümmert. Übrigens nicht immer zur Freude der Männer. Denn eine der „Amtshandlungen“ der Ama Dsogspa besteht darin, den Alkohol zu rationieren. Eine Maßnahme, die Männer davon abhalten soll, das für die Ausbildung der Kinder vorgesehene Geld zu vertrinken. „Die Männer trinken jetzt heimlich“, schmunzelt der Sekretär. Und die Frauen – schüchtern wie sie sind – schweigen erst einmal.

Erst als wir auf die Verdienste Rinpoches zu sprechen kommen, verleihen sie ihrer Freude Ausdruck: „Das Kloster und alles andere haben wir Sonam Jorphel Rinpoche zu verdanken“, sagt die 41 Jahre alte Präsidentin der Ama Dsogspa, Tsering Kunsang. Und ihre rechte Hand, Chairman Sonam Jangsas (37), nickt bekräftigend. Ihnen geht es auch darum, die Traditionen zu bewahren, ihren Töchtern eine Zukunft zu geben und Neues langsam zu integrieren. Dass sie Hilfe von einem „Sohn des Dorfes“ dabei bekommen, erfüllt sie mit großer Dankbarkeit.

StupaUnd als ob der Himmel diese Dankbarkeit mit einem Ausrufezeichen versehen wollte, erschienen beim Einsetzen der Shakyamuni-Statue ins „Sikkim“ der Stupa neben dem Nonnenkloster zwei kreisrunde Regenbögen bei strahlend blauem, wolkenlosen Himmel, die sich eine Stunde lang am Himmel hielten. Eines von vielen Zeichen, die die speziellen Aktivitäten von Drubpon Sonam Jorphel Rinpoche stets begleiten. So berichtet Projektleiter Rinchen Phuntsog von vielen Gegebenheiten (so auch beim Bau des Nonnenklosters), als fernes Donnergrollen bei glasklarem Wetter die Zustimmung und Freude der Götter zu der Erschaffung von heiligen Stätten signalisiert hat.

Dem göttlichen Segen folgte der irdische. Am 17. Juli 2008 machte sich ein Konvoi bestehend aus 40 Wagen und Bussen und hunderten Gläubigen von der ladakhischen Hauptstadt Leh auf den Weg durch die atemberaubende Steinlandschaft der Berge Ladakhs, um die Einweihung des Nonnenklosters zu feiern. Mit dem Siegesruf „Ki Ki so so Lha gyalo“ (Mögen die Götter siegreich sein) fuhren die höchsten Lamas der Linie vorbei an den winkenden, Blumen streuenden Ladakhis am Straßenrand. Ihnen zuwinkend ging es von Leh aus zunächst nach Nurla, wo – wie an allen anderen Stationen auch – bereits ein Empfangskomitee auf den Segen der Lamas wartete.

Mit Seiner Heiligkeit Drikung Kyabgon Chetsang Rinpoche, Garchen Rinpoche, Sonam Jorphel Rinpoche, Togdan Rinpoche und vielen anderen Lamas von Rang folgend, ging es dann über Tingmosgang, Kalzi und Lamayuru weiter über den Fotula (mit 4114 m einer der höchsten Pässe Ladakhs) nach Bodhkarbhu. In der warmen, klaren Luft des Himalaya schwangen die Konvoi-Teilnehmer die Kathaghs genannten Seidenschals, wirbelten Trommler ihre Stöcke im Takt ihrer Freude, als ihr Ziel nach mehrstündiger Fahrt nahte.

Auch für uns ausländische Gäste war vor Ort gesorgt. Schlafzelte, Waschzelt und Küchencrew standen in dem vom Tourismus bisher unberührten Bergdorf bereit, um uns die Rahmenbedingungen der fast zweiwöchigen Feierlichkeiten so angenehm wie möglich zu gestalten. Norbu vom „Staff“ wurde schnell unser bester Freund, brachte Tee, Wasser, Chapati, Reis und leckeres Gemüse, wann immer unser Herz danach begehrte, zu den Zelten. Wir spürten kaum etwas von dem enormen logistischen Aufwand, mehr als 5000 Gäste in diesem abgeschiedenen Dorf zu bewirten und unterzubringen.

S.H. Drikung Kyabgon Chetsang RinpocheAm 18. Juli 2008 um 9 Uhr morgens entzündete Seine Heiligkeit Drikung Kyabgon Chetsang Rinpoche das Licht des Dharma, woran sich eine lange Guru-Yoga-Puja anschloss. Bei den anschließenden Reden zeigte sich, wie sehr der Buddhismus und der Islam in dieser Region des Himalaya in enger Nachbarschaft beheimatet sind. Nachdem die höchsten Lamas unserer Linie Grußworte entsendet hatten, sprach auch ein Vertreter der nahe gelegenen moslemischen Gemeinschaft. Er wünschte sich weiterhin ein friedliches Miteinander und schrie für unseren Geschmack ein wenig zu nachdrücklich immer wieder: „Shanti, Shanti!“.

Maskentänze, Einweihungen, Belehrungen und Einsegnungen rundeten das fast zweiwöchige Programm ab. Ein Programm, das uns nicht nur geistig forderte, sondern wegen unserer Zelterfahrungen, der sengenden ladakhischen Sonne und dem Mangel an Sauerstoff so manchem auch körperlich einiges abverlangte.

Trotzdem: Die Einweihung des Nonnenklosters Shadpa Dorje Ling ist nicht nur ein Meilenstein im Land der Steine, sondern bleibt auch uns als Meilenstein in unserem Leben in Erinnerung.

Text: Anke Jacobi und Ulrike Spitz, Fotos: Sonam Spitz

Aus Rundbrief 1/2009 

 

Hanu mit BlumenZuhörer