S.E. Togden Rinpoche

Seine Eminenz Togden Rinpoche ist der Chöje (der König des Dharma) oder das spirituelle Oberhaupt der Drikung-Kagyü-Tradition in Ladakh. Traditionsgemäß wurden Chöjes in alter Zeit vom Kloster Drikung Thil aus in verschiedene Gegenden wie beispielsweise zum Berg Kailash, Tsari, Lachi oder nach Ladakh geschickt. Seitdem sich Togden Rinpoche jedoch in Ladakh inkarnierte, entstand die Tradition, daß die nachfolgenden Inkarnationen des Togden Rinpoche zum Chöje bestimmt waren.

Togdän Rinpoche ist die Inkarnation des indischen Mahasiddha Hungchen Kara. Eine seiner früheren Inkarnationen war Kongbo Togden Tulku, Schüler des großen Drikung-Lamas Tertön Rinchen Phüntsog, der von 1509 bis 1557 lebte. Die sechs darauffolgenden Inkarnationen wurden in Tibet wiedergeboren, die achte Inkarnation in Ladakh.

Der gegenwärtige Togden Tulku Könchog Tändsin Thubten Tenpe Gyaltsen ist die neunte Inkarnation. S.E. Togden Rinpoche wurde 1938 in einer armen Familie in Dorkhul geboren, einem kleinen Dorf im östlichen Ladakh. Im Alter von eineinhalb Jahren hinterließ er in der Nähe seines Geburtsortes einen Fußabdruck, als er auf einem Felsblock stand. Dieser Abdruck ist heute noch klar sichtbar. Der frühere Drikung Kyabgön Chetsang Shiwe Lodrö erkannte den Jungen als die Inkarnation des Togden Tulku.

Im Kloster Shachukhul, das in der Nähe von Rinpoches Geburtsort liegt und eines der drei großen Drikung-Kagyü-Klöster in Ladakh ist, wurde er im Jahre 1943 als Chöje Togden Tulku inthronisiert. In diesem Kloster wurde er auch in der traditionellen Weise ausgebildet. In Begleitung seines Lehrers Gegen Sönam reiste er durch Indien nach Drikung Thil in Zentraltibet, wo er von vielen Lehrern Belehrungen erhielt. In den Jahren 1954 bis 1959 studierte er am philosophischen Institut Drikung Nyima Changra. 1959, als die Chinesen Tibet besetzten, kam er, begleitet von seinem Lehrer und vielen ladakhischen Mönchen, zurück nach Ladakh. Seit dieser Zeit trägt Rinpoche die Verantwortung für 50 Drikung-Klöster in Ladakh und hält die Drikung-Kagyü-Tradition aufrecht. Togden Rinpoche ist ein wichtiger Halter in der Übertragung der Drikung-Kagyü-Tradition. Er hält die spezielle Übertragung des Gongchig, des Yang Sab, von Yamantaka, des Phowa und der Dharmapalas aus der Drikung-Tradition, sowie die Übertragung des Rinchen Ter Dsö aus der Nyingmapa-Tradition.

In Tso Pema, Rewalsar, einem heiligen Ort, der den Segen von Guru Padmasambhava trägt, traf Rinpoche von Anfang 1967 an Vorbereitungen für die Rinchen-Ter-Dsö-Ermächtigung und bat Seine Heiligkeit Dudjom Rinpoche, die Ermächtigung zu erteilen. Dementsprechend wurde sie von Seiner Heiligkeit einer Versammlung von dreißig Tulkus und mehreren Tausend Leuten gegeben. Seine Heiligkeit Dudjom Rinpoche inspirierte Rinpoche dazu, diese große Einweihung des Rinchen Ter Dsö künftig weiterzugeben. Rinpoche entdeckte mehrere heilige Orte in Ladakh, und er offenbarte mehrere Geistesschatztexte (Gong Ter). Diese Texte sind zusammen mit seinen anderen Werken in einem Band enthalten. Sie schließen auch einen kurzen Kommentar zum Gongchig ein.

1974 lud Togden Rinpoche Khyung Ka Rinpoche nach Ladakh ein und gründete mit dessen Unterstützung zuerst ein Meditations-Zentrum in Shachukhul, das später in Lamayuru weitergeführt wurde. 1981 gründete Togden Rinpoche eine Schule für junge Mönche, nachdem er das Kloster Atitse, das nordwestlich von Lamayuru liegt, restauriert hatte.

Unter der Aufsicht von Togden Rinpoche fand 1978 in Leh eine eindrucksvolle Empfangszeremonie für Seine Heiligkeit Drikung Kyabgön Chetsang Rinpoche, das Oberhaupt des Drikung Kagyü, statt. An dieser Empfangszeremonie nahmen Mönche aus Phiyang, Lamayuru und Shachukhul teil. Dies war der erste Besuch Seiner Heiligkeit in Ladakh, nachdem er auf wunderbare Weise nur drei Jahre zuvor aus dem chinesisch besetzten Tibet geflohen war. Er residierte in Lamayuru und Phiyang bis er ein eigenes Kloster in Dehra Dun errichtete. Es war das erste Mal, daß ein Drikung Kyabgön und ein Chöje die spirituellen Aktivitäten des Drikung-Kagyü-Ordens in Ladakh leiteten. Im darauf folgenden Jahr, 1979, beging man im Kloster von Phiyang feierlich den 800. Jahrestag der Gründung des Klosters Drikung Thil (1179 von Kyobpa Jigten Sumgön gegründet). 1985 besuchte auch Seine Heiligkeit Drikung Kyabgön Chungtsang Ladakh. Damit fand ein glückverheißendes Ereignis statt, denn die beiden Drikung Kyabgöns und der Chöje trafen in Ladakh zum ersten Mal zusammen.

 Aus Rundbrief 2/2000